Karl Nolle, MdL
Dresdner Neueste Nachrichten, 13.11.2004
Von der Schwierigkeit mit der Distanz
Dresden. Im Landtag wird zumindest räumlich Abstand gehalten. Niemand von den anderen Fraktionen setzt sich mit NPD-Abgeordneten an denselben Kantinentisch, niemand steht mit Leichsenring oder Apfel in der Raucherecke zusammen. Distanz, ist die Devise. Distanz zu rechts.
Auf der Homepage der "Jungen Freiheit", einer als rechts eingestuften Zeitung, die seit Jahren vom Verfassungschutz mehrerer Länder beobachtet wird, ist das mit dem Abstand zum Milieu schwieriger. Auf der Liste der Interviewpartner steht der Name Fritz Hähles (CDU) neben Günter Hämer, stellvertretender Landesvorsitzender der hessischen Republikaner. Und Holger Zastrow (FDP) findet man neben dem Philosophieprofessor Günther Zehm, der unter dem Pseudonym Pankraz in der "Jungen Freiheit" schreibt, zum Beispiel das: "Der Holocaust ist an die Stelle Gottes getreten. Über das hohe ,C' im Namen von Parteien darf man spotten, aber an den Holocaust muss man glauben; wer Zweifel erkennen lässt, verschwindet hinter Gittern." Auf der Autorenliste tauchen weiterhin auf: CDU-Abgeordneter Steffen Heitmann und FDP-Abgeordneter Tino Günther.
Auch der aus dem sächsischen Landtag ausgeschiedene Volker Schimpff und der sächsische CDU-Bundestagabgeordnete Henry Nitzsche - bekannt geworden durch das Zitat "Eher wird einem Moslem die Hand abfaulen, als dass er bei der Christlich-Demokratischen Union sein Kreuz auf den Wahlzettel macht" - schrieben für die "Junge Freiheit". Die wird im Verfassungsschutzbericht Nordrhein-Westfalens aus dem Jahr 2003 so eingeschätzt: "Die Berliner Wochenzeitung JF ist einer um Intellektualisierung bemühten geistigen Strömung innerhalb des Rechtsextremismus zuzurechnen". Im NRW-Bericht aus dem Jahr 2001 heißt es: "Als Deckmantel nutzt die JF unter anderem die Bereitschaft von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus dem demokratischen Spektrum, Texte beizutragen und Interviews zu geben. Auf diese Autoren beruft sie sich dann werbewirksam". Indem jene auf der Homepage aufgelistet werden, auch wenn ihre Zeitungsbeiträge schon einige Jahre zurückliegen.
(Hier folgen zwei Sätze zu Udo Voigt und seinem, in der Jungen Freiheit ziterten Satz: "Zweifellos handelte es sich bei Hitler um einen großen Staatsmann", die wegen einer an mich gerichteten Androhung eines Antrages auf Erlaß einer einstweiligen Unterlassungsverfügung durch den Rechtsanwalt der "Junge Freiheit Verlag GmbH & Co", Klaus Kunze aus Uslar, von mir entfernt wurden. Karl Nolle, MdL, 22.11.04, 16:30 Uhr)
Aber geworben wird mit den anderen. Darunter sind einige aus dem demokratischen Lager, aber kein Landtag ist so stark vertreten wie der sächsische. Und einer der bisher eifrigste Schreiber von ihnen war Holger Zastrow. Im Jahr 2001 steuerte er einen Kommentar bei, in dem er sich für die Direktwahl der Ministerpräsidenten ausspricht. In dem es unter anderem heißt: "Die Direktwahl von Ministerpräsidenten gibt dem Wähler die Chance, anders zu wählen und in Parteihierarchien einzugreifen." Im Verfassungsschutzbericht heißt es übrigens: "Die Junge Freiheit kennzeichnet ein grundlegender Antiliberalismus..."
Im Verfassungsschutzbericht von Baden-Württemberg für das Jahr 2000 wird die JF wie folgt charakterisiert: "Typisch für die mit intellektuellem Anspruch auftretenden JF-Autoren ist ihr geschicktes Agieren in einer Grauzone von demokratischem Konservatismus, Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus." Und der Bundesverfassungsschutzbericht 2001 konstatiert: "Die JF bot damit auch 2001 ein Forum für rechtsextremistische Meinungsäußerungen und trug insofern weiterhin zur Erosion der Grenze zwischen rechtsextremistischen und demokratisch-konservativen Positionen bei."
SPD-Politiker Egon Bahr wurde nach seinem Interview mit der "Jungen Freiheit" heftig von SPD und Grünen kritisiert. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy warf Bahr vor, es sei "ein absolutes Unding, einer als rechtsradikal geltenden Zeitung im Willy-Brandt-Haus Gastrecht zu gewähren". Die Mitwirkung sächsischer Politiker an dem Blatt wurde bisher kaum thematisiert. Dafür wendet sich die JF äußerst wohlwollend sächsischen Politikern zu. "Wie jeder echte Konservative war er seiner Zeit voraus. Erst heute wird sichtbar, in welchem Maße die Sabotage seiner Präsidentschaft ein Schlag gegen die Zukunft des Landes war", heißt es in einem zu dessen 60. Geburtstag in der JF erschienenen Porträt über Steffen Heitmann. Überschrieben ist es: "Der letzte Mann".
Und dass die Grenzen fließend geworden sind, zeigt sich im neuen Landtag auch personell. Karl Richter, der in dem NPD-Organ "Deutsche Stimme" den Wahlerfolg der Partei bei den sächsischen Landtagswahlen mit dem Satz "Heute Sachsen, morgen Deutschland" kommentierte, war Redakteur der "Jungen Freiheit" - und ist heute Mitarbeiter der Fraktion der rechtsextremen NPD im sächsischen Landtag.
Heidrun Hannusch
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