Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 27.11.2004

Lust am Untergang - Grabenkämpfe belasten Union

 
Dresden. In der CDU im sächsischen Landtag rumort es. War es bisweilen die Partei, die mit immer neuen Attacken Richtung Landeschef Georg Milbradt für Unruhe sorgte, so hat der Unmut jetzt endgültig die Fraktion erreicht. Indiz für die innere Zerrüttung war die Fraktionssitzung am vergangenen Mittwoch. "Es war eine desaströse Veranstaltung", sagt ein CDU-Abgeordneter, "schlicht chaotisch." Auf dem Programm standen Fraktionswahlen, es ging um das Amt der Ausländerbeauftragten - angesichts der rechtsextremen NPD keine Nebensächlichkeit.

Von Seiten der CDU/SPD-Koalition ist dafür die Landtagsabgeordnete Friederike de Haas vorgesehen. Die ist gleichzeitig CDU-Vorsitzende in Dresden, dem größten Kreisverband der Sachsen-Union. Beim CDU-internen Wahlgang am Mittwoch aber hat sie eine böse Schlappe hinnehmen müssen. Nur 29 von 47 anwesenden Abgeordneten gaben de Haas ihre Stimme - und das ohne Gegenkandidaten. Teilnehmer berichten von einer gespenstischen Stimmung. So habe im Vorfeld die Möglichkeit zur Debatte bestanden. Doch nichts sei geschehen, keine Diskussion, keine Frage an die Kandidatin. "Die 18 Abtrünnigen wollten sich verweigern", meint ein CDU-Abgeordneter, spürbar sei "so etwas wie die Lust am eigenen Untergang".

Kritik gibt es deshalb nicht zuletzt an CDU-Fraktionschef Fritz Hähle sowie dem neuen Parlamentarischen Geschäftsführer Heinz Lehmann. "Das Ergebnis ist ein Zeichen für nicht vorhandene Führung", heißt es in der Fraktion. Beiden sei es nicht gelungen, die internen Gräben zu überbrücken.

Das wirft einen Schatten auf die anstehende Wahl im Landtag. Am 9. Dezember soll die Ausländerbeauftragte im Parlament gewählt werden, neben de Haas tritt auch die PDS-Abgeordnete Cornelia Ernst an. Letztere hat zwar keine Chance, doch auch für de Haas wird es eng. Der Koalitionskandidatin droht ein ähnliches Debakel wie Georg Milbradt (CDU) am 10. November. Denn bei der Wahl des Ministerpräsidenten verweigerten ebenfalls mehrere Abgeordnete ihrem Chef die Zustimmung, im ersten Wahlgang fiel Milbradt durch.

Damit wird die Wahl von de Haas zum erneuten Test für die Handlungsfähigkeit der Regierungsmehrheit. Wie Milbradt braucht sie mindestens 63 von 68 Stimmen der Koalition. Hinter den Zerwürfnissen in der CDU stehen die Niederlage bei der Landtagswahl im September sowie schwelende Dauerkonflikte. Auseinandersetzungen gibt es auf drei Ebenen: Stadt gegen Land, Jung gegen Alt, Mann gegen Frau.

Das zeigte sich auch bei der Wahl der vier Beisitzer in der CDU-Fraktion. Außer Peter Schowtka erreichte keiner der acht Kandidaten im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit, und im zweiten fielen gar alle durch. Erst im dritten Durchlauf wurden schließlich Iris Schöne-Firmenich, Uta Windisch und Andreas Lämmel gewählt - mit verheerenden Ergebnissen von teilweise nur 18 Stimmen.
Jürgen Kochinke






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