Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 07.12.2004

"Sachsen hat den Subventionsbetrug begangen"

Angeklagter erhebt massive Vorwürfe gegen Freistaat
 
Leipzig - Im größten Prozess wegen Subventionsbetrug in Sachsen hat einer der Angeklagten am Montag vor dem Landgericht Leipzig massive Vorwürfe gegen den Freistaat erhoben. „Nicht die Werkstoff-Union Lippendorf oder ich, sondern Sachsen hat den Subventionsbetrug begangen“, sagte der 57-jährige ehemalige Geschäftsführer des vor mehr als acht Jahren in Konkurs gegangenen Unternehmens. Wegen Subventionsbetrugs und Steuerhinterziehung steht zudem ein Wirtschaftsberater vor Gericht.

Die Werkstoff-Union sei immer ein Vorzeigeprojekt gewesen, sagte der Angeklagte. Der Subventionsbetrug der Regierung habe im Mai 1991 mit der Versicherung von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) begonnen, dass „alle erforderlichen standortbedingten Genehmigungen“ vorlägen. Im Juni 1993 sei das Projekt in die höchste Prioritätsstufe beim Wirtschaftsministerium gelangt. Damit wurden die Zusagen von Fördermitteln betont. „Damit wurde hier ganz entschieden gegen grundlegende Subventionsrichtlinien der EU verstoßen“, sagte der Angeklagte. Er könne alles mit Dokumenten beweisen und stellte sich als Bauernopfer dar. „Die wirklich Verantwortlichen hatten in mir jemanden, der für deren Fehler gerade stand.“

Während seiner Zeit in Untersuchungshaft hätten diese „Instrumente zur Verdunkelung“ in Gang gesetzt. Der Angeklagte wies Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück, vorsätzlich oder leichtfertig gehandelt zu haben. „Alle entscheidenden Konzeptionen, Wirtschaftlichkeitsstudien und die Beantragung der Subventionen sind vor meiner Zeit als Geschäftsführer gelaufen.“ Insgesamt sollen er und ein 62 Jahre alter Mitangeklagter ein Bankenkonsortium und den Freistaat um eine Summe zwischen 38 und 60 Millionen DM (19,43 bis 30,68 Millionen Euro) geprellt haben. Der Schweizer Hauptinvestor war im Herbst in der Schweiz zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Das bei Leipzig gelegene Stahlwerk wurde 1994 für rund 285 Millionen Mark (145,7 Millionen Euro) errichtet. Der Betrieb war mit Fördergeldern des Bundes und des Landes in Höhe von 130 Millionen DM unterstützt worden. Die EU-Kommission hatte unter anderem eine Beihilfe des Bundes in Höhe von 63 Millionen DM für unrechtmäßig erklärt. Bereits am nächsten Prozesstag sollen Vertreter des Wirtschaftsministeriums gehört werden. (dpa)