Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 05.01.2005
Machtkampf um Stellen erschüttert die Koalition
Sachsen: Wirtschaftsministerium kontra Staatskanzlei - Jurk verweigert Etat-Zustimmung
Dresden. Die blutjunge sächsische Regierungskoalition wird von Streit um Personalfragen erschüttert. Dabei schaukelt sich die Einstufung von Pressesprechern, aber auch die Besoldung von Büroleitern zu einem handfesten Machtkampf zwischen der CDU-dominierten Staatskanzlei und dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium hoch. Die Auseinandersetzung zwischen Staatskanzleichef Hermann Wink1er und Wirtschaftsminister Thomas Jurk, gipfelt in der Verweigerung des Etats für 2005. Die Unterschrift von Jurk als Vize-Ministerpräsident ist dafür erforderlich.
Angeführt von dem neuen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Christoph Habermann, kämpft der kleine Koalitionspartner um seine personelle Stellung. Habermann will seine Lebensgefährtin Angelika Wahrheit als Pressesprecherin bei seiner Parteigenossin Barbara Ludwig im Wissenschaftsministerium plazieren. Wahrheit sprenge mit ihren Gehaltsvorstellungen B3 den für Pressesprecher üblichen Rahmen, streuen gut informierte Kreise. Die Unruhe in den Ministerien ist bereits spürbar.
Erstaunen hat in der Umgebung von Ministerpräsident Georg Milbradt auch die Einstufung des Büroleiters von Thomas Jurk ausgelöst. Raimund Grafe, bisheriger Berater in der SPD-Fraktion, soll besser besoldet werden als der Büroleiter des Ministerpräsidenten. Grafe werde jedoch nach Angestelltentarif bezahlt, zahle damit auch höhere Abgaben, hält die SPD den Beamten aus der Staatskanzlei entgegen. Ungeklärt ist auch noch die Zukunft des stellvertretenden Regierungssprechers. Andreas Beese, der bisher Jurk als SPD-Fraktionssprecher diente, weigerte sich, seinen Dienst in der Staatskanzlei am Montag anzutreten. Er war mit seinem Verdienst nicht einverstanden. Offenbar würden in der Fraktion Traumgehälter gezahlt, heißt es aus der Staatskanzlei. Beese begründet die fehlende Einigung damit, es gebe noch keine Klärung über die organisatorische Anbindung seiner Position.
Während alle Ministerien Stellen abbauen müssten, werde in der Staatskanzlei fröhlich Personal aufgestockt. Mit dieser Begründung weigert sich Jurk derzeit, mit seiner Unterschrift den Haushalt freizugeben. Zielscheibe der Attacke ist offenbar die Einsetzung von Andrea Fischer als Staatssekretärin in der Staatskanzlei. Die Stelle sei noch aus der Zeit Michael Sagurnas als Regierungssprecher frei gewesen, kontert die Milbradt-Behörde. Dass dort von den Pressesprechern bis zur Ministerebene noch nicht alles rund läuft, zeigt der Kontostand der neuen Minister. Weil sie noch keine Überweisung aus dem Finanzministerium erhalten haben, mussten sie ihren Dispo-Kredit in Anspruch nehmen.
Von Sparsamkeit halten die neuen Regenten wenig, wenn es um ihre Repräsentanz auf der anderen Elbseite geht. Thomas Jurk war noch Chef der kleinen SPD-Fraktion des Landtages, als er seine Genossen von der Wichtigkeit einer dritten Vizepräsidenten-Position für einen alten Genossen überzeugen wollte. Die Zustimmung erreichte er mit dem Versprechen, dafür keine zusätzlichen Personalstellen schaffen zu wollen. Um so überraschter zeigten sich SPD-Abgeordnete, die sich zusammen mit der CDU vor der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses trafen, dass Finanzminister Horst Metz (CDU) einen Präsidiumsbeschluss vorlegte. Der sah für den inzwischen mit knapper Mehrheit gewählten dritten Vizepräsidenten Gunter Hatzsch eine eigene Sekretärin und einen persönlichen Fahrer vor. Dafür gestimmt hatten auch Jurk und Hatzsch.
Von einem Sturm der Entrüstung berichten Teilnehmer. Heinz Eggert (CDU): „Wir haben mit zusammengekniffenen Zähnen einem dritten Vizepräsidenten zugestimmt. Aber es kann nicht sein, dass damit für den Steuerzahler zusätzliche Kosten entstehen." Hatzsch solle sich aus dem Fahrerpool des Landtages bedienen, lautet Eggerts Empfehlung und stößt damit bei der SPD auf Zustimmung. Wie man das Problem lösen kann, hat Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) schon vor geraumer Zeit vorexerziert. Bei Fahrten von seinem Haus zum Landtag sitzt er hinter dem Steuer seines Privatwagens. Bei den anderen Vizepräsidenten, die sich gern von ihrem Dienstfahrer abholen lassen, stieß das nicht auf Gegenliebe. Die beiden Stellen für den dritten Vize Günther Hatzsch liegen derzeit „auf Eis".
von Hubert Kemper