Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 17.01.2005

Dresdner Koalition streitet über SachsenLB

SPD fordert Konsequenzen aus Urkunden-Affäre - Union hält sich zurück - Sparkassen wollen Landesbank finanziell unterstützen
 
Leipzig/Berlin - Die von Affären geplagte Landesbank Sachsen entwickelt sich zu einer ernsten Belastungsprobe für das neue CDU-SPD-Regierungsbündnis in Dresden. Das Institut ist in der letzten Woche erheblich unter Druck geraten. Der Grund: Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) deutete in einer Urteilsbegründung an, daß Führungskräfte des Institutes eine Pflichtmeldung manipuliert und zurückdatiert haben könnten. Seitdem steht der Vorwurf der Urkundenfälschung und des Prozeßbetrugs im Raum.

Während Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) zu den Vorgängen schweigt, fordert der sozialdemokratische Partner rasche Konsequenzen. "Dieser Vorgang muß personelle Folgen haben - und möglicher Weise zu strukturellen Veränderungen führen", sagte SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss der WELT.

Der frühere Leipziger Universitätsdirektor wertet die jüngsten Vorkommnisse als "Spitze des Eisbergs". Er erwarte, "daß die Regierung nun das tut, was sie nachweislich tun muß". Aufgeschreckt hat beide Koalitionspartner ein Dringlichkeitsantrag der NPD-Fraktion, die zur Landesbank einen Untersuchungsausschuß einsetzen will. Das Parlament muß sich damit voraussichtlich am kommenden Mittwoch beschäftigen. Nach dem Willen der Rechtsextremen soll die "Verletzung der Überwachungspflicht der ehemaligen und aktuellen Vertreter der Sächsischen Staatsregierung im Verwaltungsrat" geprüft werden. Gemeint ist damit Finanzminister Horst Metz, der dem Gremium vorsteht, sowie dessen Vorgänger - der heutige Innenminister Thomas de Maizière und Regierungschef Milbradt.

In Sachen Landesbank bemängelt Sozialdemokrat Weiss, daß der Wille zur Aufklärung fehle. Den Vorschlag seines Fraktionskollegen und wirtschaftspolitischen Sprechers Karl Nolle (SPD), der angeregt hatte, die demokratischen Parteien sollten einen eigenen Untersuchungsausschuß einsetzen, lehnt Weiss jedoch ab: "Das ist eine disziplinarische Sache, keine politische."

Aus Regierungskreisen ist zu vernehmen, daß der zuständige Finanzminister Metz keinen Anlaß zu unmittelbarem Handeln sieht. Über die "weitere Verfahrensweise" sei nach Auswertung der Urteilsgründe durch die zuständigen Aufsichtsgremien zu entscheiden, formuliert eine Sprecherin die Haltung. Schon in der Vergangenheit hatte sich Metz stets hinter das Institut gestellt und dabei sogar das Parlament falsch unterrichtet.

In Verbindung mit dem womöglich manipulierten Dokument stehen SachsenLB-Vorstand Rainer Fuchs, Bereichsleiter Christian Spieker sowie Andrea Braun. Sie ist Vorstand der Leasingtochter MDL und Lebensgefährtin von Bankchef Michael Weiss. Gegen alle drei Führungskräfte liegt in Leipzig eine Strafanzeige vor. Die Ermittlungen ruhten während des OLG-Prozesses, bei dem es eigentlich um die Rechtmäßigkeit einer Kapitalerhöhung bei der MDL ging. Sollte dieses Verfahren - wie allgemein erwartet - wieder aufgenommen werden, dürfte sich der Zwist unter den Dresdner Koalitionären zuspitzen.

Dabei geht es für die SPD auch um Glaubwürdigkeit. So hatte der heutige Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) noch als Oppositionsführer vor der Landtagswahl im September mehrfach die Entlassung von Vorstandschef Weiss gefordert. Der Landesbanken-Lenker gilt zwar als exzellenter Fachmann, seine Führungsqualitäten sind aber umstritten. So war seine Partnerin Braun, der ein Sonderprüfgutachten jüngst gravierende Versäumnisse in der Geschäftsleitung attestierte, ohne Ausschreibung auf ihren gut dotierten Posten befördert worden. Dies geschah seinerzeit gegen den ausdrücklichen Wunsch des damaligen Verwaltungsratschefs und heutigen Innenminister de Maizière. Für viele sächsische Politiker hat Weiss auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Bespitzelung von Mitarbeitern sowie bei einer Dienstwagenaffäre die notwendige Sensibilität vermissen lassen. Aus Kreisen der Sparkassen heißt es: "Wie es an der Spitze der Landesbank weitergeht, muß jetzt von der Politik entschieden werden."

Durch den Wegfall der Gewährträgerhaftung Mitte des Jahres steht die Sachsen LB ohnehin in Zugzwang. Das schlechte Schattenrating "BBB+" von Standard & Poors signalisiert, daß die Sachsen LB nach dem Wegfall der Staatsgarantien bei der Refinanzierung ihrer Geschäfte künftig mehr Aufwand betreiben muß. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird deshalb das Geschäft umgebaut und neues Kapital eingeworben. Das Institut hat einen aktuellen Kapitalbedarf von 400 Mio. Euro.

Nachdem im Dezember der Verkauf von Anteilen an der Sachsen LB sowie eine Fusion mit den Sparkassen in Leipzig und Dresden verworfen wurde, wollen nun die sächsischen Sparkassen die Landesbank mit ihren überschüssigen Einlagen unterstützen. "Die Sparkassen der Sachsen Finanzgruppe (SFG) sind bereit, an der Neuausrichtung er Sachsen LB mit Kapital und erheblichen Refinanzierungsmitteln mitzuwirken", sagte SFG-Vorstandsmitglied Claus Friedrich Holtmann. Holtmann ist zugleich Geschäftsführer des Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Auch Sparkassen außerhalb der SFG seien bereit, die Landesbank zu stützen. Bis Ende März soll es ein Konzept geben.
von Uwe Müller und Norbert Schwaldt