Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 18:56, 21.01.2005

NPD-Skandal in Dresden

Empörung über Holocaust-Vergleich
 
Die NPD hat im sächsischen Landtag ihr wahres Gesicht gezeigt. Während einer Schweigeminute für die Opfer der Nazi-Diktatur verließen die Rechtextremisten den Saal. Kurz darauf bezeichnete der NPD-Abgeordneter Gansel die Angriffe der Alliierten auf Dresden als "Bomben-Holocaust". Die Politiker der demokratischen Parteien waren schockiert.

Dresden - Landtagspräsident Erich Iltgen leitete die Parlamentssitzung in Dresden mit wohl überlegten Worten ein: "Da dies heute unsere letzte Plenarsitzung vor diesen beiden Tagen ist, möchte ich sie alle auffordern und bitten, mit mir in würdiger Weise den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu gedenken." Dem Appell und der Bitte des CDU-Politikers des bevorstehenden 60. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar und des 60. Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13. Februar zu erinnern, kamen zwölf Abgeordnete nicht nach. Die Volksvertreter der NPD verließen den Saal.

Nach der Schweigeminute kehrten sie zurück und beteiligten sich an der Debatte über die Bombardierung Dresdens. Dabei kam es zu einem weiteren Zwischenfall: Der Landtagspräsident schaltete NPD-Fraktionschef Holger Apfel das Mikrofon ab, als dieser vom "Massenmord" und von "angloamerikanischen Gangsterkomplizen" sprach.

Apfel polemisierte weiter. Bei der Zahl der Opfer werde sehr genau gerechnet, sagte er. Dabei verglich er den Holocaust mit den Fliegerangriffen der Alliierten auf Dresden. Im Unterschied zu den ermordeten jüdischen Mitbürgern sei man bei anderen Opfern "nicht so pingelig, wenn da eine Null fehlt". Der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel bezeichnete die alliierten Angriffe als "Bomben-Holocaust".

Der Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Cornelius Weiss sagte anschließend stellvertretend für die im Parlament vertretenen demokratischen Parteien: "Es fällt mir schwer, nach solchen Hasstiraden nach Art von Goebbels zu sprechen." Alle Demokraten würden trauern, gedenken "und wir beten zu Gott, dass sich so etwas niemals wiederholt." Es dürfe aber nicht vergessen werden, wie es dazu gekommen sei, sagte Weiss. Er erinnerte an die Verbrennung von Büchern zu Beginn der NS-Gewaltherrschaft, an die Reichspogromnacht im Jahre 1938 und an das Bombardement der englischen Stadt Coventry durch deutsche Bomberverbände während des Zweiten Weltkrieges. "Das Grauen steigerte sich zu einer Apokalypse", sagte der SPD-Fraktionschef. Am Ende sei das Feuer in das Land der Brandstifter zurückgekehrt. Eine deutsche Stadt nach der anderen sei den alliierten Bombenangriffen zum Opfer gefallen und "es traf in furchtbarer Weise auch Dresden." Ein verführtes Volk sei am Ende zur Rechenschaft gezogen worden.

Zugleich warnte der SPD-Politiker davor, gegeneinander aufzurechnen. "Das ist gefährlich". Es gelte vielmehr, für die Zukunft Brücken zu bauen. Mit Blick auf die rechtsextremistische NPD-Fraktion sagte Weiss: "Mit Entschiedenheit müssen wir denjenigen in den Arm fallen, die schon wieder nach der Brandfackel greifen."

Weiss' Rede wurde von den Parlamentariern minutenlang mit stehendem Applaus gewürdigt. Die NPD-Abgeordneten blieben sitzen.

Der Auftritt der Rechtsextremen im sächsischen Landtag könnte ein juristisches Nachspiel haben. CDU und Grüne baten um Prüfung, ob die Reden der NPD in der Debatte um das Gedenken an die Zerstörung von Dresden im Zweiten Weltkrieg den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Laut PDS lieferte die NPD neues Material für ein Verbotsverfahren.

Nach Angaben von Landtagssprecher Ivo Klatte war Landtagspräsident Iltgen mit seiner Aufforderung zu einer Schweigeminute einem Antrag der NPD-Fraktion zuvorgekommen. Diese hatte geplant, mit einer parlamentarischen Initiative nur an die Opfer der Luftangriffe auf Dresden zu erinnern, sagte Klatte.