Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa/sn, 19:03 Uhr, 21.01.2005

NPD lehnt Ehrung für Nazi-Opfer ab - Staatsanwaltschaft wird aktiv

 
Dresden (dpa) - Nach ihrem jüngsten Auftritt im sächsischen Landtag steht die rechtsextreme NPD im Verdacht der Volksverhetzung und muss mit rechtlichen Schritten der Staatsanwaltschaft rechnen. In einer Debatte zum Gedenken an die Bombardierung Dresdens 1945 sprachen NPD-Abgeordnete am Freitag von einem «Bomben-Holocaust»; die britisch-amerikanischen Luftangriffe nannten sie «kaltblütig geplanten, industriellen Massenmord».

Bereits zuvor hatten die NPD-Vertreter für einen Eklat im
Dresdner Landtag gesorgt: Sie verweigerten sich einer Schweigeminute für die Opfer des Nationalsozialismus und verließen den Plenarsaal, als sich die Fraktionen zum Gedenken erhoben. Die NPD wollte lediglich der Opfer der Bombardierungen deutscher Städte durch alliierte Luftangriffe vor 60 Jahren gedenken. Bei den Angriffen auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945 waren schätzungsweise 35 000 Menschen ums Leben gekommen. Daran wird in diesen Tagen mit einer Fülle von Veranstaltungen erinnert.

Die Dresdner Staatsanwaltschaft will die NPD-Reden nun wegen des Verdachts auf Volksverhetzung prüfen, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Feron. Dies hatten CDU und Grüne bereits unmittelbar nach der sehr emotionalen, immer wieder durch empörte Zwischenrufe unterbrochenen Landtagsdebatte gefordert. Auch das Landtagspräsidium kündigte eine Prüfung an. Nach Ansicht der PDS lieferte die NPD neues Material für ein Verbotsverfahren.

Besonderen Unmut riefen Redepassagen hervor, die nach Ansicht der demokratischen Landtagsfraktionen die Nazi-Verbrechen relativieren: «Der Bomben-Holocaust von Dresden steht ursächlich weder im Zusammenhang mit dem 1. September 1939 noch mit dem 30. Januar 1933», behauptete der NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel mit Blick auf Kriegsbeginn 1939 und NS-Machtergreifung 1933. Es war zudem von einer «selektiven Erinnerungskultur» in Deutschland die Rede, die nur die Opfer der anderen Völker im Blick habe. NPD-Fraktionschef Holger Apfel sprach im Zusammenhang mit dem Kriegsende vom Tag «der vermeintlichen Befreiung Deutschlands».

«Wir dürfen das Dresdner Inferno niemals vergessen, wir dürfen aber auch nicht vergessen, wie es dazu kam», hatte Alterspräsident Cornelius Weiss namens aller anderen Fraktionen auf die Anwürfe der NPD erwidert. Der SPD-Fraktionschef erwähnte die Machtergreifung Adolf Hitlers 1933, die Verfolgung der Juden, den Massenmord in Konzentrationslagern, die deutschen Bombardements auf das spanische Guernica und das englische Coventry. Es sei gefährlich, Ereignisse gegeneinander aufzurechnen. «Brücken bauen - Versöhnung leben» sei der Geist, «der fortan in uns leben muss», sagte Weiss in einer mit langem Beifall bedachten Rede, nach der sich die Abgeordneten von CDU, SPD, PDS, FDP und Grünen erhoben.

Unterdessen lehnte Landtagspräsident Erich Iltgen das Ansinnen
der NPD ab, am Gedenktag für die Zerstörung Dresdens vor dem Landtag aufmarschieren zu dürfen. «Ich habe kein Verständnis dafür, dass bestimmte politische Gruppierungen versuchen, die Ereignisse am 13. Februar 1945 in ihrem Sinn umzudeuten und für politische Zwecke zu instrumentalisieren.» Zum Gedenken wollen 5000 Rechtsextreme aus ganz Deutschland anreisen. Die NPD will juristisch gegen die Entscheidung des Landtagspräsidenten vorgehen.

dpa su/st yysn ba ll
211903 Jan 05