Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 22.01.2005

Eklat: NPD verweigert Ehrung für Nazi-Opfer

 
Dresden. Die scharfe Stimme von Cornelius Weiss durchschneidet die Totenstille im sächsischen Landtag. Mit klaren Worten und kurzen Sätzen sagt der 71-jährige Alterspräsident des Parlaments, was an diesem Vormittag zu sagen ist: "Dass sich Geschichte nicht wiederholt, das und nichts anderes ist das Vermächtnis von Dresden, die Lehre aus jener furchtbaren Nacht vor 60 Jahren." Alle bis auf zwölf Abgeordnete applaudieren nach seiner Rede stehend, lang und ernst.

Der SPD-Fraktionschef reagierte für Koalition und Opposition als einziger Redner auf eine neue Provokation der zwölf NPD-Abgeordneten. Die hatten das Gedenken zum 60. Jahrestag der anglo-amerikanischen Bombenangriffe auf Dresden am 13. Februar 1945 zum Landtagsthema gemacht und es kommt, wie es kommen muss: Fraktionschef Holger Apfel nennt die Alliierten nun "Massenmörder" und das Ende des Krieges am 8. Mai 1945 die "vermeintliche" Befreiung Deutschlands. Der aufstrebende NPD-Abgeordnete Jürgen Gansel spricht sogar vom "Bomben-Holocaust" gegen Dresden. Dieser stehe weder im Zusammenhang mit dem Kriegsbeginn am 1. September 1939 noch mit Hitlers Machtergreifung am 30. Januar 1933. Martialisch kündigt der 30-Jährige an: "Heute haben wir auch in diesem Parlament den Kampf gegen die Schuldknechtschaft des deutschen Volkes und für die historische Wahrhaftigkeit aufgenommen." Während seiner Rede verlässt ein Großteil der Abgeordneten die Sitze. Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) unterbricht mit Ordnungsrufen (Was Sie sagen, ist ungeheuerlich.) und dreht schließlich das Mikrofon ab.

Demaskiert hatten sich die Rechtsextremisten schon am Morgen, als Iltgen alle Abgeordneten zu einer Schweigeminute für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aufforderte - "gleichviel, durch welche Willkür und Gewalt sie zu Schaden gekommen sind". Während sich alle Abgeordneten erhoben, verließen die NPD-Vertreter den Saal. Sie wollten nur der Opfer der Bombardierung deutscher Städte gedenken.

Es falle ihm schwer, sagt Weiss dann, "nach der mit Schaum vor dem Mund in Goebbelsscher Manier vorgetragenen Rede des Herrn Apfel" zu sprechen. Es stimme ja, dass das Dresdner Inferno nie vergessen werden dürfe, aber auch nicht, wie es dazu gekommen sei. Das Feuer sei in das Land der Brandstifter zurückgekehrt. "Zuerst brannten die Bücher, nach den Büchern brannte Guernica. Dann brannten die Synagogen, auch die in Dresden", sagt Weiss und erinnert an die erste Flächenbombardierung des englischen Coventry und die Massenvernichtung in den Krematorien. "Brücken bauen, Versöhnung leben" sei "der gute Geist, der in uns leben muss". Es gelte jenen in den Arm zu fallen, die wieder nach der Brandfackel greifen. "Dazu gehören ihre Hasstiraden."

Viele Abgeordnete sind froh über die klaren Worte, viele von ihnen, zuerst Regierungschef Georg Milbradt, gehen zu Weiss und schütteln ihm die Hand, während noch die NPD spricht. In Presseerklärungen werfen sie der NPD die Relativierung von NS-Verbrechen vor, die Abgeordneten hätten sich als Parteigänger von Faschismus und Nationalsozialismus entlarvt. Mit deren Reden läge "neues Material für ein NPD-Verbotsverfahren vor", heißt es bei der PDS. Ohnehin dürfte die "Aktuelle Stunde" ein juristisches Nachspiel haben. Mittlerweile prüft die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Volksverhetzung.

Als die Debatte vorbei ist, wartet Iltgen mit einer weiteren Überraschung auf: Die Kundgebung, die die NPD am 13. Februar vor dem Landtag abhalten will, wird - wie schon eine Veranstaltung im Plenarsaal - abgelehnt. Der Platz werde von der Polizei für die Sicherung diverser Veranstaltungen benötigt. "Ich habe", so Iltgen, "kein Verständnis dafür, dass bestimmte politische Gruppierungen versuchen, die Ereignisse am 13. Februar 1945 in ihrem Sinn umzudeuten und für politische Zwecke zu instrumentalisieren". Die rechtsextreme Junge Landsmannschaft Ostpreußen erwartet aus dem Anlass 5000 Faschisten aus dem In- und Ausland. Die NPD will ihre Kundgebung nun vor Gericht durchsetzen.

Die Stadt plant zahlreiche Gedenkveranstaltungen wie auch die Übergabe eines Nagelkreuzes aus Coventry für die Frauenkirche. Als Zeichen des Protestes gegen die Neonazis appelliert die "Interessengemeinschaft 13. Februar 1945", an dem Tag eine weiße Rose zu tragen.
Sven Heitkamp