Karl Nolle, MdL

spiegel-online, 16:17 Uhr, 04.02.2005

Furcht vor NPD-Anhängern - Sachsens Landtag igelt sich ein

 
Aus Angst vor pöbelnden NPD-Anhängern reagiert der sächsische Landtag mit rigiden Methoden. Zum Gedenktag an die Bombardierung Dresdens wollen die Verantwortlichen alle Zuschauer aussperren. Gleichzeitig diskutiert die Politik weiter hitzig eine Neuauflage des NPD-Verbotsverfahrens.

Berlin - Am 13. Februar gilt im Sächsischen Landtag: geschlossene Gesellschaft. Der Beschluss für die wohl einmalige Anordnung fiel am Freitag im Präsidium des Landtags einstimmig. Der Landtag ist demnach an dem Gedenktag generell nur für Abgeordnete, ihre Mitarbeiter sowie Journalisten der Landespressekonferenz geöffnet.

Damit haben Gäste der NPD-Fraktion, die am 13. Februar eine Sitzung abhalten will, keinen Zutritt zum Parlamentsgebäude. Die NPD selber war nicht zu der Abstimmung erschienen. Das Präsidium beschloss außerdem, dass es am 13. Februar im und am Landtagsgebäude keine politische Werbung geben darf.

Hintergrund der Maßnahme ist auch eine von der NPD angemeldete Kundgebung vor dem Parlament, die jedoch vom Landtagspräsidenten untersagt worden war. Das Land Sachsen als Eigentümer des Platzes benötigt an diesem Tag die Fläche als Basislager für die Polizei, die Veranstaltungen absichern soll. Bis Freitagmittag war unklar, ob die NPD dagegen klagt. Ursprünglich wollte sie im Fall einer Ablehnung den Rechtsweg beschreiten.

Die rechtsextreme Junge Landsmannschaft Ostpreußen marschiert alljährlich am Gedenktag durch Dresden. In diesem Jahr werden unter Schirmherrschaft der NPD etwa 5000 Teilnehmer aus ganz Deutschland erwartet. Linke Gruppen haben Gegendemonstrationen angekündigt.

Mit Rosen gegen Rechts

Eine Gruppe von Bürgern rief dazu auf, den Rechtsextremen Paroli zu bieten. Mit weißen Rosen aus Kunststoff sollen die Dresdner ein Zeichen setzen für Frieden und Menschlichkeit. Damit solle aller Opfer des Krieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gedacht werden, heißt es in dem Aufruf, der von Prominenten unterstützt wird.

Auch Regierungschef Georg Milbradt (CDU) rief zum "Aufstand der Anständigen" auf. Geplant ist unter anderem eine Aktion auf dem Platz vor der berühmten Semperoper. Mit dem Bild einer Kerze, zusammengesetzt aus Tausenden Kerzen, soll ein Gegengewicht zum geplanten Aufmarsch der Rechtsextremen gesetzt werden. "Wenn wir am 13. Februar der Opfer der Zerstörung unserer Stadt gedenken, so erinnern wir gleichzeitig an die Vorgeschichte dieses entsetzlichen Ereignisses, insbesondere an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft", sagt Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP).

Verbotsverfahren ohne V-Mann-Beweise

Unabhängig von dem Dresdner Beschluss geht in der Politik die hitzige Diskussion um eine Neuauflage des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens weiter. SPD-Innenpolitiker denken demnach über einen neuen NPD-Verbotsantrag mittels offen zugänglichen Beweismaterials nach. "Man muss nicht auf die V-Leute zurückgreifen, um die Verfassungswidrigkeit der NPD nachzuweisen", sagte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Ute Vogt, im "Focus".

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, plädiere ebenfalls für ein Verfahren unter Ausschluss von Erkenntnissen, die Verbindungsleute des Verfassungsschutzes aus internen Sitzungen der NPD gewonnen hätten.

Unterstützung kam von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Auch er setzte sich für einen erneuten Verbotsantrag gegen die rechtsextreme NPD ein. "Wenn die Fakten so sind, dass wir einigermaßen eine Chance haben, dann sollte man es auf jeden Fall versuchen", sagte Wowereit am Donnerstagabend in der N24-Sendung "Studio Friedman".

Schröder wirbt für Großdemo am 8. Mai

Bundeskanzler Gerhard Schröder macht sich für eine Großkundgebung gegen Rechts am 8. Mai stark, dem 60. Jahrestag des Kriegsendes. Voraussetzung sei aber, dass die Demonstration von einem breiten demokratischen Bündnis gewollt und unterstützt werde, sagte Schröders Sprecher Bela Anda am Freitag in Berlin. Der Vorstoß müsse vom Parlament kommen. Die Regierung treffe keine Vorbereitungen und plane diese auch nicht. Schröder wünsche einen Aufstand der Anständigen und einen "kraftvollen Beweis", dass die Demokraten in Deutschland rechte Umtriebe nicht duldeten, berichtete Anda.

Neben der umstrittenen Demo am 8. Mai plant die NPD für den 7. Mai in Berlin offenbar eine weitere Demonstration zum Brandenburger Tor. Die Jugendorganisation der rechtsextremistischen Partei habe in dieser Woche bei der Polizei einen weiteren Aufmarsch zum 60. Jahrestag des Kriegsendes angemeldet, berichtet der "Tagesspiegel". Bisher hatte sie für den 8. Mai einen Aufmarsch zum Brandenburger Tor geplant, den demokratische Kräfte jedoch mit Gegenveranstaltungen verhindern wollen.

Die Anmeldung beider Aktionen sei inhaltlich identisch, schreibt das Blatt unter Berufung auf Sicherheitskreise. Unter dem Motto "60 Jahre Befreiungslüge - Schluss mit dem Schuldkult" sollen mindestens tausend Anhänger der NPD vom Alexanderplatz aus zum Holocaust-Mahnmal und dann zum Brandenburger Tor marschieren. Die zweite Anmeldung bewerten Sicherheitsexperten als Versuch der Rechtsextremisten, angesichts der sich schon jetzt abzeichnenden massiven Proteste gegen einen Marsch am 8. Mai mit einem Ausweichtermin auf jeden Fall eine Demonstration in Berlin sicherzustellen.