Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 05.02.2005

Leipziger Bilanzkosmetik

SachsenLB hat faule Immobilienengagements gezielt verschoben
 
Leipzig - Die Landesbank Sachsen hat in großem Umfang Bilanzkosmetik betrieben und notleidende Immobilienfinanzierungen in eine Tochter ausgelagert. Dadurch sind Wertberichtigungen in vermutlich dreistelliger Millionenhöhe umschifft worden. Dies geht aus umfangreichen Dokumenten hervor, die der WELT vorliegen.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, dem die offenkundig breit gestreuten Unterlagen ebenfalls vorliegen, sagte: "Wir haben es hier mit einer Berliner Bankgesellschaft Nummer 2 zu tun." Wie bei dem Institut in der Hauptstadt habe bei dem Leipziger Bankhaus die politische Kontrolle restlos versagt.

Die SachsenLB als einzige Landesbank des Ostens sorgt seit Monaten mit immer neuen Skandalen für Schlagzeilen. Doch sowohl Ministerpräsident Georg Milbradt als auch der zuständige Finanzminister Horst Metz (beide CDU) halten ihre schützende Hand über die umstrittene Führungsspitze des öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts - was eine Koalitionskrise mit dem Regierungspartner SPD auslöste, die mühsam beigelegt werden mußte. Jüngst wurde bereits die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert.

Offenkundig hatte die Staatsregierung Kenntnis von dem Umgang mit den Immobilienrisiken, weil auch der Kreditausschuß der SachsenLB eingeschaltet war. Dort ist die Politik vertreten - so durch Metz, der ab Mai 2002 Vorsitzender in dem Gremium war. Eine Stellungnahme des CDU-Ministers war nicht zu erhalten.

Die problembehafteten Immobilien lagern allerdings in einer Gesellschaft, die der unmittelbaren Kontrolle der Aufsichtsgremien und des Rechnungshofes entzogen wurde. Dazu gründete die SachsenLB-Tochter Corporate Finance Holding (CFH) mit der börsennotierten Tegernsee Immobilien- und Beteiligungs-AG (TAG) die Real Immobilien GmbH, an der beide Partner direkt 49 Prozent halten.

Auf Anfrage haben früher weder SachsenLB noch TAG nähere Auskünfte zur Real mit einem Stammkapital von zwei Mio. Euro erteilt. Noch immer ist daher unklar, wie umfangreich der Immobilienbesitz der GmbH ist. Selbst in Westdeutschland ist die Real engagiert.

Laut internen Unterlagen (Kreditvorlagen, Protokolle, notarielle Urkunden) sind zumindest einzelne Objekte dramatisch überbewertet und stehen mit dem 30- bis 50-fachen Wert der Nettojahresmiete in den Bücher - üblich ist meist das Acht- bis Zehnfache.

Die Real hat auch aus einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Immobilien zu überhöhten Preisen übernommen. Dazu zählt etwa ein schlecht vermietetes Bürohaus in Dresden (Königsbrücker Str. 17), das zuvor den Leo-Kirch Anwälten Joachim Theye und Ronald Frohne sowie dem Immobilienunternehmer Lutz R. Ristow gehörte - der wiederum ist TAG-Großaktionär. Das Trio war auch Gesellschafter der "GbR Inselstraße 22 - 26", dem früheren Leipziger Stammsitz des Reclam-Verlags.

Allein für diese beiden Objekte wurden bei der SachsenLB Kredite von 76,14 Mio. Euro beantragt. Davon fast 57 Mio. Euro "blanko" (also unbesichert), wie es in der Kreditvorlage heißt.

Intern hat SachsenLB-Chef Michael Weiss zugegeben, welchen Zwecken die Real GmbH diente. Intention sei es, vermerkt ein Protokollauszug des Kreditausschusses, "Wertberichtigungen im Immobilienportfolio der Bank zu vermeiden bzw. zu vermindern". Sein Vorstandskollege Rainer bestätigte ebenda, "daß sich die Bank der Risiken dieser Finanzierung bewußt sei".

Der "Spiegel" berichtet ebenfalls von den merkwürdigen Transaktionen. Die dort erhobenen Vorwürfe wies ein Sprecher der SachsenLB "nachdrücklich zurück".
von Uwe Müller