Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 12.02.2005

Olympia-Skandal holt Beigeordneten wieder ein

 
Dresden/Leipzig. Der Beigeordnete Burkhard Jung (SPD) gerät erneut wegen einer Affäre unter Druck, die als größter Skandal in der gescheiterten Leipziger Olympia-Bewerbung gilt. Das Corpus Delicti ist ein interner Brief von Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD), den die Berliner Zeitung kürzlich der Öffentlichkeit präsentierte. Das Schreiben nährt den Verdacht, dass Jung in einer eidesstattlichen Versicherung gelogen hat.

Der Sozialbeigeordnete wollte sich zu dem Brief nicht äußern. Über einen Sprecher ließ er lediglich ausrichten, auch dieses Dokument habe der Staatsanwaltschaft bei ihren Olympia-Ermittlungen vorgelegen. Bekanntlich habe die Behörde keinen Anfangsverdacht gegen Jung bestätigen können.

Dennoch ist Jung offenbar angekratzt. Stadtsprecherin Kerstin Kirmes sagte auf Anfrage dieser Zeitung, der Beigeordnete wolle sich per Anwalt gegen alle Medien zur Wehr setzen, die einen Zusammenhang zwischen zwei Vorgängen konstruieren, die nichts miteinander zu tun hätten.

Genau diesen Verdacht nährt jedoch der Tiefensee-Brief vom 2. November 2003. Darin teilt der OB "persönlich-vertraulich" an Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und andere Aufsichtsräte der Olympia-GmbH mit, dass ihm Jung am Tag zuvor einige überraschende Dinge offenbarte. So habe die Firma SCI von Ivan Radosevic und Henner Ziegfeld beim Damentennisturnier 2001 im Auftrag Jungs für Olympia geworben. Die Stadt habe dafür eine Rechnung über 59.000 Euro beglichen, "die erbrachten Leistungen sollen jedoch einem Wert von gut 204.000 Euro plus Steuern entsprochen haben."

Weiter unterrichtet Tiefensee den Ministerpräsidenten, dass der Stadt hier möglicherweise ein Schaden von rund 150.000 Euro entstanden sein könnte, weil Jung "anders als in anderen Fällen" diese möglichen Verbindlichkeiten nicht bei der erst später gegründeten Leipzig, Freistaat Sachsen und Partnerstädte GmbH zwecks Kostenübernahme anmeldete. Schließlich teilt Tiefensee "persönlich-vertraulich" mit, er habe eine juristische Prüfung veranlasst, "ob aus der Vereinbarung von Herrn Jung mit den Veranstaltern des Tennisturniers für das Jahr 2001 noch ein offener Anspruch gegenüber der Stadt in Höhe von 150.000 Euro besteht" und daraus der Stadt ein finanzieller Schaden entstehen kann.

Das zweiseitige Schreiben ist deshalb von höchster Brisanz, weil drei Tage später in den Medien ein anderer Brief auftauchte, den Burkhard Jung selbst am 3. Januar 2003 unterzeichnet hat. In diesem Brief billigte Jung der Firma SCI zufällig genau 150.000 Euro an Provisionen zu. Bis heute unklar ist, welche Gegenleistungen SCI dafür erbracht haben soll. War es nur ein Kompensationsgeschäft, um die alten Tennis-Schulden Jungs zu begleichen?

Der Beigeordnete hat diesen Verdacht am 5. November 2003 in einer eidesstattlichen Erklärung bestritten. Alle weiteren Fragen zu dem Provisionsgeschäft müssten an den damaligen Geschäftsführer der Olympia-GmbH Dirk Thärichen gestellt werden.

Ausgerechnet aus dem Umfeld Thärichens kommen indes immer wieder Hinweise, die Provisionszahlungen an SCI habe Jung ganz allein eingefädelt, um das Problem Tennis-Schulden loszuwerden. Thärichen hat an dieser Version ein Interesse, denn dann wäre er selbst unschuldig. Oberstaatsanwalt Lutz Lehmann bestätigte auf Anfrage, dass die "abschließende Entscheidung" in Sachen Thärichen unmittelbar bevorstehe.

Sollte Thärichen ungeschoren davonkommen, dürften Jung einige graue Haare wachsen. Ohnehin ist es sehr verwunderlich, warum er seinen Dienstherrn erst in der allerdicksten Krise der Olympiabewerbung über zwei Jahre alte SCI-Forderungen nach 150.000 Euro informierte. An jenem 1. November 2003 - als sich Jung ein Herz fasste - waren bereits etliche Wirtschaftsprüfer und Staatsanwälte mit den Firmen von Radosevic und Ziegfeld befasst.
Jens Rometsch