Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 16.02.2005
Funkstille in der Plauderkammer
Unbekannte haben die Internetseiten der Skinheads Sächsische Schweiz geknackt und möglicherweise Spuren zur NPD entdeckt.
Game over“ – Das Spiel ist aus. So ist es derzeit auf diversen Internetseiten zu lesen, die bisher unter Stichworten wie „Heimatschutz“ und „Elbsandsteinportal“ zu finden waren und als so genannter „Weltnetz“-Auftritt der verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) galten.
Zumindest vorerst ist es damit vorbei. Seit Freitag vergangener Woche haben unbekannte Hacker die Seiten offenbar übernommen und abgeschaltet. Die Gruppe nennt sich „Katjusha“ und führt den Sowjetstern nebst einer Maschinenpistole in ihrem Logo, ähnlich dem der früheren linksterroristischen RAF. Die augenscheinlich der Antifa zugehörigen Hacker betonen, das so genannte „Heimatschutznetzwerk“ gezielt vor dem 13. Februar übernommen zu haben – als Aktion gegen „Geschichtsrevisionismus“, der auf einer der Seiten betrieben worden sei.
Die Folgen der Aktion dürften über den Tag hinaus Bedeutung gewinnen. Protokolle, insbesondere in passwortgeschützten Chaträumen, unter nationalen Kameraden „Plauderkammer“ genannt, geben den Ermittlern des Staatsschutzes möglicherweise Anhaltspunkte dafür, dass die 2001 verbotene „SSS“ von einzelnen Mitgliedern fortgeführt wurde. Sie könnten sogar Verbindung zur rechtsextremistischen NPD im Landtag gehabt haben.
Noch gibt sich Staatsanwalt Jürgen Schär wortkarg. Die Protokolle der Internetpräsenz würden im Rahmen eines schon laufenden Ermittlungsverfahrens geprüft. Gemeint sind jene Ermittlungen, die er bereits Ende vergangenen Jahres gegen 25 Personen eingeleitet hatte. Diese stehen im Verdacht, an der Fortführung der „SSS“ beteiligt zu sein. Beim Verbot spielte auch die Heimatschutz-Internetseite eine Rolle. Bei einer groß angelegten Durchsuchungsaktion am 1. Dezember 2004 beschlagnahmten die Beamten auch den Computer von einem der rechten Netzmeister, wie sich die Verantwortlichen der Internetseiten nennen.
In der nun geknackten „Plauderkammer“ der Kameraden, deren Daten der SZ vorliegen, lässt sich die Aufregung nachlesen, die nach der Razzia herrschte. „Was haben sie von der Elbsandsteinseite?“, fragt einer der Kameraden. Die Daten der Seite seien gefunden worden, „obwohl auch die gut versteckt waren“, so die Antwort. An anderer Stelle heißt es: „Man wirft uns ferner vor, dass wir uns weiterhin getroffen haben.“ Im Zusammenhang mit einem Gedenkmarsch für den Hitler-Stellvertreter Hess wird der Betreiber der „Plauderkammer“ aufgefordert: „Es gibt da ‘nen Text bei uns, löscht den bitte!“ In mehreren Einträgen versuchen die rechten Plaudermänner Informationen zu sammeln, um mit der Situation fertig zu werden.
Nacktfoto und Feind-Adressen
Zwölf Tage nach der Razzia hatten sich die rechten Netzmeister wohl wieder gefangen und waren um Schadenbegrenzung bemüht. „Ich möchte die NPD Netzseite unseres KV’s vom HNS trennen“, schreibt der eine den anderen Hilfe suchend am 10. Dezember 2004 an. Man wollte die Seite des NPD-Kreisverbandes vom „Heimatschutznetzwerk“ trennen. An anderer Stelle heißt es: „Habe wieder ‘nen Rechner, diesmal von ‘nem MdL“. MdL ist die hinlänglich bekannte Abkürzung für Mitglied des Landtages. Außerdem ist zu lesen: „Alle Daten, Providerverträge, die ich habe, ruhen nun sicher bei jemanden, der Immunität hat.“ Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage: Stehen NPD-Landtagsabgeordnete in Verbindung mit den rechten Netzmeistern der „SSS“? Einer von ihnen soll nach Angaben der Hacker von „Katjusha“ ein bereits verurteiltes „SSS“-Mitglied sein. Ein Anfrage zu den Vermutungen bei der NPD-Landtagsfraktion blieb gestern unbeantwortet.
Was die Neonazis ins Netz stellten, reichte von Nacktfotos unter dem Stichwort „Leibeszucht“ über Adressen ihrer „Feinde“ bis zur Geschichtsklitterung auf der „Dresden Gedenkseite“. Was die rechten Plaudermänner nicht ahnten: Seit Monaten diskutierten die Hacker unter szenetypischen Namen wie „Wolfsschanze“ bei ihnen kräftig mit und merkten schnell, dass mit dem „Heimatschutznetzwerk“ offensichtlich mehr Schein als Sein erweckt wird. An einer Hand hätten sie die beteiligten rechten Aktivisten bald abzählen können.
Von Thomas Schade