Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 18.02.2005

Neuer Fördermittel-Skandal in Sachsen?

 
Dresden. Es klang alles ganz bedeutsam: Die Koalitionspartner treten für die Unterstützung der Stiftung Innovation und Arbeit Sachsen (SIAS) als "sächsisches Bündnis für Arbeit" ein, heißt es im Vertrag von CDU und SPD für die Regierungsarbeit in den nächsten fünf Jahren. "Die Stiftung hatte und hat beim Strukturwandel im Freistaat eine wichtige Aufgabe", haben die Koalitionäre außerdem festgehalten in dem Papier, das Anfang November 2004 vorgestellt worden ist. Gerade mal drei Monate später ist diese Passage wohl Makulatur.

Stattdessen droht dem Freistaat ein weiterer Fördermittel-Skandal - Ausmaß unabsehbar. Die 1997 gegründete Stiftung ist ein in die Jahre gekommenes Baby von Sachsens früherem Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU). Im Zweier-Vorstand paritätisch besetzt von Arbeitgebern und Gewerkschaften galt es auch dem ehemaligen Wirtschaftsminister (CDU) zum fünften Geburtstag noch als gut geeignetes Instrument zur Entwicklung und Umsetzung regionalisierter Strukturpolitik. Doch dabei ging es offenbar nicht immer ganz sauber zu.

Vor einigen Tagen hat das Wirtschaftsministerium der Stiftung dem Vernehmen nach einen Rückforderungsbescheid ausgestellt. Nach DNN-Informationen wird in einem ersten Schritt offenbar ein Euro-Betrag im unteren sechsstelligen Bereich zurückgefordert. Es soll sich um Gelder aus der institutionellen Förderung des Freistaates handeln. Das sind Beträge für Personal- und Sachkosten bei der Stiftung selbst. Allein zwischen 2001 und 2004 hat die Stiftung ausweislich der Haushaltspläne des Freistaats rund 3,4 Millionen Euro für diese Zwecke erhalten, im vergangenen Jahr allein 484.000 Euro für acht Angestellte. Hinzu kamen jährlich rund 1,2 Millionen Euro für Einzelprojekte. Auch im Doppelhaushalt 2005/06 hat die Staatsregierung jährlich reichlich zwei Millionen Euro für die Stiftung vorgesehen. Außerdem flossen offenbar auch Gelder der heutigen Bundesagentur für Arbeit und des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Projekte, die von der Stiftung begleitet worden sind und werden. Dazu gehört unter anderem das Projekt "Jobbalance automotiv Südwestsachsen", das Arbeitskräfte unter anderem für das Stollberger Volkswagen Mechatronik-Werk heranbildet.

Aufbaubank prüft

Das sächsischen Wirtschaftsministerium würdigte auf DNN-Anfrage zwar die Arbeit der Stiftung. Sie habe zahlreiche Hilfestellungen für Unternehmen in Not gegeben. "Herausragende Einzelbeispiele seien der erfolgreiche Einsatz für die Bahnwerke sowie große Erfolge in der Begleitung von Bundeswettbewerben", heißt es. Dann skizziert das Ministerium jedoch indirekt eine katastrophale Situation: Es gebe derzeit keine staatlichen Gelder, weil die Fördervoraussetzungen nicht gegeben seien. Und: "Die gegenwärtige finanzielle Situation der Stiftung lässt - auch nach den allgemeinen Grundsätzen des Haushaltsrechts - weitere finanzielle Zuwendungen nicht zu." In der Wirtschaft werden solche Formulierungen gewählt, wenn ein Unternehmen eigentlich pleite ist. Das Ministerium fügt denn auch hinzu: Als neue Plattform für eine Bündnis für Arbeit werde eine "Agentur für Innovation und Arbeit" gegründet.

Das Ministerium wollte gestern nicht sagen, wie sich die Stiftung ohne staatliche Gelder derzeit finanziert. Das müsse der Vorstand erklären. Doch der hatte in den letzten Tagen laut einer Mitarbeiterin keine Zeit für eine Stellungnahme gegenüber DNN. Damit blieb auch die Frage offen, welche Folgen es für eine Stiftung hat, bei der der Freistaat einziger Stifter ist, als Staat aber Geld zurückverlangt. Das Ministerium teilte dazu lediglich mit, dass die Sächsische Aufbaubank die Rückforderung von Fördermitteln prüfe, deren Umfang derzeit noch nicht bezifferbar sei.

Doch die Rückforderung ist nur ein Teil des Dilemmas. Beim Thema ESF-Förderung läuten allenthalben die Alarmglocken. Von möglicherweise "zweckwidriger Verwendung" ist hinter den Kulissen die Rede. Eine bevorstehende "vertiefte Verwendungsnach-weisprüfung" könnte unangenehme Vorgänge zu Tage fördern. Kenner der Materie verweisen dabei auf bedenkliche Parallelen zum Fördermittelskandal um das Dresdner Qualifizierungsunternehmen QMF. Dort sind EU-Millionen in einem unübersichtlichen Netz von Beratungs- und Bildungsfirmen versickert. Durch überhöhte Honorare für Dozenten und Berater floss das Geld dabei in die falschen Kanäle.
von Ingolf Pleil