Karl Nolle, MdL
DIE WELT, 23.02.2005
SachsenLB-Spitze belastet
Urkundenaffäre eskaliert – Vorstandschef Weiss gibt Ehrenerklärung ab
Leipzig – In der sogenannten Urkundenaffäre der SachsenLB erhärtet sich der Verdacht, daß Führungskräfte des Geldhauses ein Dokument manipuliert haben. Bereits am 11. Januar hatte das Oberlandesgericht Dresden festgestellt, daß die „Umstände“ darauf hinweisen. Wenige Tage später leitete die Dresdner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Ihr wurde nun am 10. Februar neues Beweismaterial zugleitet, das auch der WELT vorliegt.
Dabei handelt es sich um Dokumente, die belegen sollen, daß eine Urkunde rückdatiert wurde. Mit ihr wollte die Bank in einem Rechtsstreit beweisen, daß eine strittige Hauptversammlung ihrer 51-Prozent-Tochter Mitteldeutsche Leasing AG (MDL) ordnungsgemäß über die Bühne ging.
Die Beweisstücke stammen aus der SachsenLB und wurden den Ermittlern von der Firma Industrie- und Immobilien-Leasing GmbH (IIL) aus dem bayerischen Tutzing zur Verfügung gestellt. Die IIL ist Minderheitsaktionärin der krisengeschüttelten MDL und verlangt von der SachsenLB unter anderem Schadenersatz. Eine Klageschrift über 140,5 Mio. Euro soll in Kürze eingereicht werden.
Die ILL meint, die Fälschung sei „offenkundig“. Nach ihrer Überzeugung wurde für die Urkunde „ein im übrigen Geschäftsverkehr niemals vorhandener Briefbogen hergestellt und verwendet“. Angeführt wird, daß im Fußblock der Besitzanzeige der Bankcode „BIC“ (Bank Identifier Code) angegeben ist. Dieser sei jedoch ausweislich der Beweisstücke (Referenzschreiben, Vorschriften zum Corporate Design, E-Mails) erst im zweiten Halbjahr 2003 eingeführt worden. Mitte April 2003, als die Mitteilung entstanden sein soll, wurde demnach in allen Geschäftsbriefen der Bank noch die ältere Bezeichnung „S.W.I.F.T.“ verwendet.
Sollte diese Behauptung die Wahrheit treffen, drohen der Landesbank-Leitung personelle Konsequenzen. Darauf hatten sich sowohl Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt als auch sein Finanzminister Horst Metz (beide CDU) bei der CDU-Landtagsfraktion festgelegt. „Wenn sich herausstellt, daß hier manipuliert und rückdatiert wurde, ziehen wir zügig personelle Konsequenzen“, sagte Finanzminister Metz der WELT am vergangenen Donnerstag. Nach seiner Auskunft mußten Vorstandschef Michael Weiss, Vorstandsmitglied und MDL-Aufseher Rainer Fuchs sowie Vorstandsbüroleiter Christian Spieker persönliche Ehrenerklärungen abgeben. In Verbindung mit der Affäre steht auch MDL-Chefin Andrea Braun. Die Lebensgefährtin von SachsenLB-Chef Weiss mußte sich allerdings nicht erklären.
Für die Schieflage der MDL schieben sich IIL und SachsenLB seit gut einem Jahr gegenseitig die Schuld zu. Dabei mußte die SachsenLB als 51-Prozent-Eignerin inzwischen eine Reihe juristischer Niederlagen einstecken, unter anderem vor dem Oberlandesgericht Dresden. Die Richter hatten erhebliche Zweifel an der Echtheit der umstrittenen Besitzanzeige geäußert. Die SachsenLB wollte angesichts der laufenden Ermittlungen keine Fragen der WELT zu den konkreten Sachverhalten beantworten.
von Uwe Müller
Gefälscht?
Mit einer so genannten Besitzanzeige (Dokument rechts), die laut Aktiengesetz obligatorisch ist, wollte die SachsenLB nachweisen, daß bei einer Hauptversammlung ihrer Leasingtochter MDL alles korrekt zugegangen war. Doch das Oberlandesgericht Dresden hatte Zweifel an der Echtheit des Dokumentes und vermutete eine Rückdatierung. Der Briefbogen des rechten Dokumentes, das angeblich vom 15. April 2003 stammte, zeigt im Fuß die Bezeichnung BIC – das ist eine internationale Kennung für die Übermittlung von Zahlungsinformationen (Vergrößerung). Allerdings stand zum nämlichen Zeitpunkt an eben dieser Stelle auf dem offiziellen Briefpapier der SachsenLB noch die Bezeichnung „S.W.I.F.T.“ (linkes Dokument vom 30 Juni 2003, Vergrößerung), die erst im zweiten Halbjahr 2003 gegen BIC ausgetauscht wurde – darauf verweisen auch interne E-Mails, Merkblätter zum Corporate Design der Bank und Mitteilungen an die Kunden. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt in der Sache. DW