Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 23.02.2005

Methode Leipzig

Der Streit mit einem bayerischen Leasing-Unternehmer könnte für SachsenLB-Chef Michael Weiss das Ende der Karriere bedeuten
 
Als einziges Ostbundesland folgt der Freistaat Sachsen dem westdeutschen Landesbank-Modell und gründete 1992 ein eigenes öffentlich-rechtliches Geldhaus. Das bekam seinen Sitz in Leipzig, stieg unter anderem ins Leasing-Geschäft ein und finanzierte Baumaschinen und Firmenflotten. Und dafür suchte SachsenLB-Chef Michael Weiss einen Geschäftspartner aus der Branche. Weiss verband seine Landesbank mit der Industrie- und Immobilien-Leasing GmbH (IIL). Doch das ging nicht gut.

Die Partner sind heillos zerstritten. Ihre gemeinsame Leasing-Gesellschaft MDL –die SachsenLB hält 51 Prozent, die IIL 49 Prozent – ist in einem desaströsen Zustand. Das Neugeschäft wurde eingestellt, die Landesbank hat ihre Beteiligung komplett abgeschrieben und die eigene Bilanz schon 2003 mit elf Mio. Euro belastet. Nach vorläufigen Zahlen machte die MDL auch 2004 Verlust, bei einem Umsatz von 33 Mio. Euro insgesamt 5,8 Mio. Euro. Das sind gut 60 Prozent mehr als geplant.

SachsenLB-Chef Weiss versuchte zunächst, das MDL-Debakel dem Partner anzulasten, nämlich IIL-Eigner Ludwig M. Hausbacher. Der fungierte bis März 2003 auch als Vorstand der MDL. Die Bank kündigte lückenlose Aufklärung und Schadenersatzforderungen an. Doch Hausbacher wehrte sich – und die SachsenLB unterlag bei drei Feststellungsklagen, die der IIL-Eigener eingereicht hatte.

Nun nimmt der Zank um die MDL eine weitere unangenehme Wendung für Weiss. Die IIL hat eine Schadenersatzklage über „Euro 140.515.340 nebst Zinsen“ vorbereitet, die nun beim Landgericht Leipzig eingereicht werden soll. Zur Begleichung des obligatorischen Gerichtskostenvorschusses ist laut Klageschrift „ein Verrechnungsscheck über 274.368 Euro beigefügt“. Daraus könnte ein jahrelanger Rechtsstreit werden. Für diesen Fall muß die SachsenLB vorsorgen und darum Rückstellungen in der Bilanz ausweisen. Das wiederum käme zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.

Denn die Landesbank braucht Geld. Zwar hat die SachsenLB im vergangenen Jahr 45 Mio. Euro Gewinn gemacht, ein Rekordergebnis. Trotzdem ist eine Kapitalzufuhr zwischen 400 und 500 Mio. Euro notwendig, heißt es in einem internen Strategiepapier. Damit soll das Rating der Bank verbessert werden. Ihr droht mit dem Wegfall der Staatsgarantien, die öffentlich-rechtliche Geldhäuser vor Konkurs schützen, eine Abstufung der Bewertung auf „BBB+“. Nur mit frischem Kapital ließe sich daraus ein „A“ machen. Die SachsenLB braucht das Kapital bis spätestens Ende März, ansonsten ist die Geschäftsgrundlage bedroht. Die Sparkassen fordern, der Freistaat solle die Hälfte davon aufbringen. Doch die Landesregierung, die über die Sachsen-Finanzgruppe mit rund einem Fünftel an der LB beteiligt ist, lehnt das strikt ab. Sie will höchstens 80 bis 100 Mio. Euro beisteuern – aber die Summe ist bislang nicht im Haushalt vorgesehen.

Eine Schadenersatzklage würde das heikle Geldproblem vermutlich verschärfen. Die IIL verweist unter anderem auf ein Sonderprüfgutachten der Bilanzprüfer von Deloitte & Touche, die bei der MDL gravierende Pflichtverletzungen feststellt. Die werden indes nicht dem früheren MDL-Chef Hausbacher angekreidet, sondern seiner Nachfolgerin Andrea Braun. Braun ist die Lebensgefährtin von SachsenLB-Chef Weiss, gegen sie ermittelt die Leipziger Staatsanwälte wegen Insolvenzverschleppung (Az:.209.Js.85852/04). Die Managerin hat laut dem Gutachten ihre Pflichten als Alleinvorstand verletzt, Rechte der Hauptversammlung mißachtet und unerlaubt Geld an die SachsenLB ausgezahlt – zu Lasten des Minderheitsgesellschafters, Hausbachers IIL.

Dabei hat die persönliche Verbindung zwischen SachsenLB-Chef Weiss und MDL-Lenkerin Braun den Konflikt zwischen IIL und SachsenLB wohl erst richtig eskalieren lassen, mutmaßen Landtagsabgeordnete, die auch von „Mätressenwirtschaft“ sprechen. Andere Personalien laden die Auseinandersetzung zusätzlich auf. Hausbacher läßt sich bei seinem Vorgehen gegen die SachsenLB ausgerechnet von Sachsens Ex-Regierungschef Premier Kurt Biedenkopf beraten. Dessen Nachfolger Georg Milbradt dagegen, der gegen Biedenkopfs Willen Ministerpräsident wurde, stellt sich demonstrativ vor das Management der SachsenLB. Das können etliche Abgeordnete der Regierungsparteien CDU und SPD kaum mehr nachvollziehen.

Und das dürfte sich noch verstärken, wenn sich in der sogenannten Urkundenaffäre herausstellen sollte, daß das Bankmanagement tatsächlich eine Pflichtmeldung für die MDL manipuliert hat. Ein solches Dokument, eine sogenannte Besitzanzeige, ist laut Aktiengesetz obligatorisch, es wurde für eine Hauptversammlung der MDL benötigt, bei der es auch um eine Kapitalerhöhung ging. Doch das Oberlandesgericht (OLG) Dresden erklärte diese Kapitalerhöhung für unrechtmäßig. Das angeblich am 15. April 2003 erstellte Schriftstück ist, wie das OLG in seiner Urteilsbegründung schrieb, vermutlich „erst nach dem 30. September 2003“ entstanden.

Hausbacher erstattete daraufhin Anzeige. Er hat der Dresdner Staatsanwaltschaft (Az.:. 314.Js.4457/05) jetzt neues Material vorgelegt. Für die Urkunde, davon sind die Anwälte des IIL-Chefs überzeugt, wurde „ein im übrigen Geschäftsverkehr niemals vorhandener Briefbogen hergestellt und verwendet“.

Der Briefbogen mit der Besitzanzeige weist in der Tat Merkwürdigkeiten auf. Unten auf dem Papier, neben Anschrift, Telefonnummer und ähnlichen Angaben, steht der Begriff „BIC“. Er bezeichnet den Bank Identifier Code, eine Art Bankleitzahl für die Übertragung von Zahlungsinformationen. Doch laut den von Hausbacher beschafften Unterlagen wurde die Bezeichnung BIC erst im zweiten Halbjahr 2003 für den Schriftverkehr der SachsenLB eingeführt. Im April 2003 dagegen, als die Besitzanzeige laut Datumsangabe verfaßt worden sein soll, wurde demnach statt „BIC“ noch die ältere Bezeichnung „S.W.I.F.T“ benutzt.

Ein ehemals leitender Bankangestellter bestätigte der WELT: „Es gab im ersten Halbjahr 2003 keine offiziellen Briefbögen mit der Bezeichnung ‚BIC’“. Deshalb könne die Urkunde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt entstanden sein. Auch andere Instanzen sind inzwischen aktiv geworden: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen hat nach WELT-Informationen wegen der Affäre ein Aktenzeichen (GZ: BA.25.(105171).105) angelegt. Die SachsenLB ließ Fragen dieser Zeitung zum Manipulationsvorwurf unbeantwortet. Man sei „selbstverständlich an einer lückenlosen Aufklärung“ interessiert, wird mitgeteilt.

„Wenn sich herausstellt, daß hier manipuliert und rückdatiert wurde, ziehen wir zügig personelle Konsequenzen“, sagte Finanzminister und SachsenLB-Verwaltungsratschef Horst Metz (CDU) der WELT. Von drei Führungskräften, darunter Bankchef Weiß, ließ sich der Minister vorsorglich persönliche Ehrenerklärungen geben. „Die Urkunde liegt uns bislang im Original nicht vor“, sagte der Dresdner Oberstaatsanwalt Andreas Feron der WELT. Nach Informationen dieser Zeitung hatten die Ermittler der SachsenLB eine Frist bis Montag zur Vorlage der Besitzanzeige gestellt. Angeblich sind auch der Computer sowie der Drucker, auf denen das Schriftstück erstellt wurde, nicht mehr im Verfügungsbereich des Kreditinstitutes. Sprecher Feron will das so nicht bestätigen: „Das Verfahren befindet sich in einem sensiblen Stadium, deshalb können wir keine Details mitteilen.“
von Uwe Müller