Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 24.02.2005

Bankrott: Bundesagentur gibt über 55-Jährige auf

Kommentar von Stephan Lorenz
 
Die Meldung ist eine Katastrophe für Sachsen und den gesamten Osten Deutschlands. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, selbst auch schon im reiferen Alter von 53 Jahren, gibt die älteren Arbeitslosen in Ostdeutschland auf. Der Grund: Keine Chance mehr für eine Rückkehr in ein Beschäftigungsverhältnis. Die Arbeitsämter könnten für die über 55-Jährigen in den neuen Ländern kaum noch etwas tun. Was für ein verheerendes Signal!

Mit dieser Aussage sind 181.ooo ältere Arbeitslose im Osten auf das Abstellgleis geschoben. Allen, die sich Woche für Woche bemühen einen Job zu finden, muss der Plan vorkommen wie ein Schlag ins Gesicht. Ihnen wird von oben herab jede Perspektive genommen. Schlimm genug, wenn Ältere ihren Job verlieren, den sie vielleicht jahrzehntelang redlich und fleißig ausgeübt haben. Schon lange war den älteren Arbeitnehmern bewusst, dass es schwer werden wird, bei Arbeitsverlust etwas Neues zu finden. Aber viele klammerten sich an den Glauben, irgendwie wird es schon weitergehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Jetzt wird sie zu Grabe getragen.

Im Osten haben sich vielleicht noch mehr Männer und Frauen als im Westen über die Arbeit definiert. Ihnen mag das, was mit ihnen geschieht, wie die Ausgeburt des kapitalistischen Unrechts erscheinen. Was ist das für eine Gesellschaft, die auf die Erfahrungen und das Können älterer Mensche mit einem Federstrich verzichten will? Gilt nur noch der Jugendwahn, den uns die Werbung Tag für Tag in immer neuen Bildern und Sprüchen eintrichtert? Jung, gleich schön, gleich wertvoll, gleich erfolgreich und, und, und ...

Was tut das Arbeitsamt für die Älteren? Weises Plan ist auch ein Bankrott-Erklärung für die Vermittlungsarbeit der Agenturen. E will sich ein Problem schlichtweg vom Halse schaffen. Es dürfte auch ein Signal dafür sein, wie tief die Einschnitte in das soziale Netz noch gehen, wenn Menschen nur noch als statistisches Material gesehen werden.

Es ist aber nicht nur eine Bankrott-Erklärung für das Arbeitsamt, sondern auch für die rot-grüne Arbeitsmarktpolitik von Kanzler Gerhard Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Das Herausrechnen möglichst vieler Arbeitsloser aus der offiziellen Statistik ersetzt keine aktive Arbeitsmarktpolitik. Hat das Scheitern von Hartz IV im Osten bereits begonnen? Antworten darauf werde der Regierung schwer fallen.