Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 24.01.2005

Die Taktik der NPD

Bieder-bös
 
Der sächsische Verfassungsschutz hat davor gewarnt, den Erfolg der NPD zu unterschätzen. Denn Dank einer Doppelstrategie aus Bürgerlichkeit und Provokation erhalte die Partei nicht nur in Sachsen weiter Zulauf.

Drei Tage vor dem Eklat ist Uwe Leichsenring bei seinem Auftritt an Höflichkeit kaum zu überbieten. Freundlich wünscht er den Journalisten der Landespressekonferenz in Dresden ein gutes neues Jahr und trägt dann betont sachlich die Anliegen seiner Partei vor.

Im Mittelpunkt steht der Antrag auf einen Untersuchungsausschuss zu Querelen um die Sächsische Landesbank, dessen Detailkenntnis den Fachleuten anderer Fraktionen einen regelrechten Schrecken einjagt. Es ist nicht nur einfach eine plakative Provokation.

Anschein der kundigen Oppositionspolitik

Der Antrag der rechtsextremen NPD offenbart gründliche Kenntnis auch interner Unterlagen der landeseigenen Bank. Genüsslich erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der Rechtsextremisten, die seit September 2004 im Landtag sitzen, dass die Unterlagen seiner Fraktion zugefaxt worden seien. Er weiß, dass ihre Kritik von anderen Parteien geteilt wird und gibt sich moderat als kundiger Oppositionspolitiker.

Drei Tage später zeigen Leichsenring und seine Kameraden ein ganz anderes Gesicht. Im Landtag kommt es zum Eklat, als die NPD den Opfern des Nationalsozialismus das Gedenken verweigert. Bundesweit lösen die Sätze des Fraktionschefs Holger Apfel Entsetzen aus, der die Bombardierung Dresdens vom 13. Februar 1945 als „Bomben-Holocaust“ bezeichnet.

Ihm wird das Mikrofon abgestellt, die anderen Fraktionen verlassen den Saal. „Dieser Tag wird als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem die Nazi-Abgeordneten ihr wahres Gesicht zeigten“, sagt der Alterspräsident des Landtags, Cornelius Weiss (SPD). Tatsächlich zeigt die NPD in Sachsen erstmals so offen ihre Ideologie.

Kein Ausrutscher

Ein unbeabsichtigter Ausrutscher freilich war das nicht. Die gezielte Provokation gehört – so wie zuvor das bewusst gutbürgerliche Auftreten – zur Doppelstrategie der NPD, mit der sie Sachsen zur Basis für bundesweite Ambitionen machen will.

Schon lange beobachtet der Verfassungsschutz, wie die Partei mit unterschiedlicher Ansprache einerseits gezielt bürgerlich-konservative Wähler, andererseits Neo-Nationalsozialisten – vor allem junge Rechtsextreme – einbinden will.

1996 baute die NPD ihren Landesverband in Sachsen zum stärksten in Deutschland auf und warb – so der damalige Innenminister Klaus Hardraht – gezielt Leute aus verbotenen Organisationen für Führungspositionen.

Hinter einer biederen Fassade agierend, rekrutierte sie, so warnten schon damals Experten, auch gewaltbereite Jugendliche. Die Strategie der zwei Gesichter lässt sich auch heute am Beispiel von NPD-Abgeordneten erkennen. Der selbstständige Fahrlehrer Leichsenring, der in der NPD-Hochburg Sächsische Schweiz die gutbürgerliche Seite der NPD repräsentiert, pflegte Kontakte zur inzwischen verbotenen Gruppe „Skinheads Sächsische Schweiz“ und solidarisierte sich zuletzt öffentlich mit ihr.

Volkstanz und Skinhead-Rock

Nicht nur in der sächsischen Schweiz entwickelte die NPD ein Fundament. In der Kleinstadt Riesa wurde die Zeitung Deutsche Stimme mitsamt Verlag zu einer gewichtigen Basis der Rechtsextremen. Der aus dem Westen stammende Fraktionschef Holger Apfel fungierte dort seit 1996 als leitender Angestellter.

Die Feiern der Deutschen Stimme wurden zu einem Stelldichein von Symbolfiguren des extrem rechten Lagers. Im letzten Jahr wurde das Fest in Mücka in Sachsen mit 7000 Gästen zu einem der größten Zusammentreffen dieser Art in der Geschichte der Bundesrepublik – mit Volkstanz für die Alten und Skinhead-Rock für die Jungen.

Seit dem Einzug in das sächsische Parlament im September wird die NPD-Fraktion mit der Logistik des Landtags und dem Geld der Bundespartei als deutschlandweites Forum genutzt. Der Bundesvorsitzende Udo Voigt sitzt zu wichtigen Abstimmungen auf der Landtagstribüne.

Jede Woche Schlagzeilen

Die parlamentarischen Initiativen koordiniert ein aus dem Saarland gekommener Fraktionsgeschäftsführer, der – so die anderen Fraktionen – die unerfahrenen Parlamentarier steuert. Gezielt versucht die Fraktion, jede Woche Schlagzeilen zu machen – besonders gern, indem sie bei anderen Parteien Unterstützung gewinnt.

Intern beklagte die Regierungspartei CDU, dass die NPD einige Punktsiege erzielt habe – vor allem, als ihr Kandidat bei der Wahl des Ministerpräsidenten zwei Stimmen mehr erzielte, als die NPD Sitze hat.

Diese Erfolge brachten Sachsen in den Fokus der rechten Szene und ziehen berüchtigte Figuren an. Anfang Januar kamen von weither etwa 150 Gäste zum NPD-Neujahrsanfang in den Landtag, darunter Ex-Republikaner-Chef Franz Schönhuber. Er soll der Fraktion nun als europapolitischer Berater dienen.
Von Jens Schneider.