Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 26.02.2005

Interview: „Von der CSU können wir Geschlossenheit lernen"

Ministerpräsident Georg Milbradt über seine umstrittene Rolle als Landesvorsitzender der CDU, über die Sachsen-LB-Affäre und den Umgang mit der NPD
 
Dresden. Im September 2004 haben die Sachsen die CDU vom Sockel der Alleinherrschaft gestoßen. Heute beginnt die Partei in Wurzen mit der Aufarbeitung der Gründe ihrer Niederlage. Im Mittelpunkt steht der Landesvorsitzende Georg Milbradt. Vor der ersten von drei Regionalkonferenzen sprach Hubert Kemper mit dem Ministerpräsidenten.

Freie Presse: Was spricht gegen eine Doppelspitze in der Union?

Georg Milbradt: Die Abgabe des Landesvorsitzes würde eindeutig die Position der CDU innerhalb der Koalition schwächen.

Freie Presse: Wäre ein Parteichef, der nicht durch die Koalition gebunden ist freier für die CDU?

Milbradt: Dann müsste er Abgeordneter im Bundestag, Landrat oder Bürgermeister sein. Denn auch Landtagsmitglieder sind in die Koalition eingebunden. Außerdem haben wir schon jetzt eine Doppelspitze: Der Generalsekretär artikuliert die Meinung der Partei in der gebotenen Deutlichkeit.

Freie Presse: Aufbruch statt Stillstand hatten Sie vor Ihrer Wahl versprochen. Kritiker werfen Ihnen vor, es sei beim Stillstand geblieben.

Milbradt: Wer das behauptet, hat die Bewegung in der CDU nicht registriert. Die Diskussion ist wesentlich intensiver, die Information der Basis umfangreicher geworden. Die neue Serie der Regionalkonferenzen setzt diesen Prozess fort.

Freie Presse: Ihr Ex-Minister Rößler will in Sachsen bayerische CSU Verhältnisse. Warum eigentlich nicht?

Milbradt: Sachsen hatte bisher bayerische Wahlergebnisse, aber keine bayerischen Verhältnisse. Die CSU-Hochburg ist über Jahrzehnte gewachsen und spiegelt die besonderen gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse wider. Was wir von der CSU lernen können, ist deren Geschlossenheit.

Freie Presse: Wie wollen Sie das Ruder in der CDU wiederfest in den Griff bekommen?

Milbradt: Indem wir uns vor allem bewährter Tugenden besinnen und über unsere Stärken reden. Eine lebendige Partei benötigt eine starke Basis. Deshalb müssen wir mehr Mitglieder gewinnen. Das ist der einzige Weg, um Sachsen weiter erfolgreich in die Zukunft zu führen.

Freie Presse: Die Diskussion um den Parteivorsitz ist eher kontraproduktiv. Wünschen Sie sich einen Gegenkandidaten?

Milbradt: Wer Alternativen haben will, muss sie anbieten und sie zur Abstimmung stellen. Alles andere ist destruktiv.

Freie Presse: Die Probleme bei der Sachsen-LB haben sich gestern mit dem Rücktritt der beiden Vorstandsmitglieder Weiss und Fuchs zugespitzt: Haben Sie zu lange zugeschaut?

Milbradt: Nein. Herr Weiss hat die politische Verantwortung übernommen, um weiteren Schaden von der Bank abzuwenden. Das Problem der Bank ist nicht die Auseinandersetzung mit der Leasingtochter MDL, sondern ihre Weiterentwicklung im globalen Wettbewerb. Die Anteilseigner, das sind überwiegend die Kommunen, haben ein großes Interesse, dass Rentabilität und hohe Erträge gewährleistet bleiben. Und es geht um die Sicherung von 700 Arbeitsplätzen.

Freie Presse: Das Ansehen der Bank ist durch die Negativ-Schlagzeilen in den letzten Monaten nicht gefördert worden. Nun gilt es, rasch eine akzeptable Nachfolgeregelung zu finden.

Milbradt: Ein übereiltes Handeln hat sich wegen der Verantwortung für die Bank und ihre Mitarbeiter verboten.

Freie Presse: Fürchten Sie um den Bestand Ihres Modells einer eigenständigen Landesbank?

Milbradt: Nein. Das Modell hat sich bewährt. Die Alternative wäre die Aufgabe des Finanzplatzes Leipzig gewesen. Die Absicherung einer neuen Struktur ist nun entscheidend für die Zukunft der Bank.

Freie Presse: Auch die Sparkassen hatten mangelnde Transparenz bei der Landesbank beklagt und sind nur unter Bedingungen bereit; eine Kapitalerhöhung mitzutragen.

Milbrandt: Weder Kommunen noch Sparkassen oder der Freistaat würden bei einer Kapitalerhöhung belastet. Da ist viel Unwissen im Umlauf. Die Kapitalerhöhung wird durch eine Anleihe refinanziert.

Freie Presse: Ist es Aufgabe einer kleinen Landesbank riskante Projekte außerhalb des Landes zu finanzieren?

Milbradt: Das ursprüngliche Geschäftsmodell musste geändert werden, weil der Heimatmarkt zu eng geworden ist. Der Gewinn kommt vor allem aus dem Geschäft außerhalb Sachsens.

Freie Presse: Auch die Flops?

Milbradt: Wer jedes Risiko ausschließen will, macht kein Geschäft. Außerdem: Die Bank ist von unabhängigen Prüfern mehrfach kontrolliert worden. Das Ergebnis ist bestens. Auch die Risikovorsorge ist ausreichend.

Freie Presse: Die NPD hat die sächsische Politik monatelang vor sich hergetrieben. Hat die Partei ihren Zenit überschritten?

Milbradt: Ich denke ja. Das hat sich am 13. Februar gezeigt, als die Dresdner ein würdiges Zeichen des Gedenkens an den Tag der Zerstörung gesetzt haben. Es ist der NPD nicht gelungen, durch Provokation die Schlagzeilen zu bestimmen. Die Wahl in Schleswig-Holstein hat den Abwärtstrend bestätigt.

Freie Presse: Die NPD bleibt also ein sächsisches Phänomen? Milbradt: Nein, sie bleibt für alle Deutschen eine Herausforderung. In Sachsen ist die wirtschaftliche Situation ein Element, das der NPD einen Nährboden verschafft. Deswegen sind weitere Erfolge im Aufholprozess für uns wichtig. Ebenso wichtig ist es, junge Menschen nicht in die Hände brauner Verführer fallen zu lassen. Im Landtag hat die NPD jedenfalls ihr Pulver weitgehend verschossen.