Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 26.02.2005

Milbradt kämpft an allen Fronten

Sachsens Regierungschef hat viele Probleme, hauptsächlich mit der eigenen Partei
 
Dresden - Lange Zeit hatte Georg Milbradt die Vorwürfe wegen Ungereimtheiten in der Landesbank Sachsen LB von sich weggeschoben. Gestern jedoch hat die Banken-Affäre den sächsischen Ministerpräsidenten endgültig eingeholt. Nach Funden der Staatsanwaltschaft bei einer Hausdurchsuchung, die Urkundenfälschungen belegen könnten, und auf Grund des wachsenden Drucks im Landtag, erklärte sich Milbradt gestern bereit, im März eine Regierungserklärung zu dem Skandal zu halten. Als früherer Finanzminister und heutiger Sachsen-Premier trägt er schließlich Verantwortung für die umstrittenen, teilweise wohl auch anrüchigen Geschäfte der Sachsen LB-Hausspitze.

Lange schon drängen Parteifreunde Milbradt zum Handeln. Schließlich ist die Affäre nur eine Baustelle des Regierungschef von mehreren. Schon seit dem Wahldebakel im Herbst, als die CDU nach 14 Jahren Alleinherrschaft 16 Prozentpunkte verlor und eine Koalition mit der SPD eingehen mußte, sind viele Parteifreunde auf den Barrikaden - besonders die beiden ehemaligen Minister Matthias Rößler und Martin Gillo. Milbradt hatte beide in den Koalitionsverhandlungen entmachtet und ihre Ministerien für Wissenschaft und für Wirtschaft an die Sozialdemokraten übergeben. Viele in der Union verstehen die Entscheidung bis heute nicht - und haben sie noch weniger verwunden. Rößler und Gillo entwickeln sich seither zu Gegenspielern des CDU-Landesvorsitzenden. Ihre Kreisverbände verlangen bereits die Trennung von Ministerpräsidentenamt und Parteivorsitz. Die Aufforderung kommt einer politischen Demontage Milbradts auf Raten gleich. Und es brennt noch an anderen Ecken. Auch die zwei zusätzlichen Stimmen für die NPD-Fraktion im Landtag werden trotz aller Dementis frustrierten CDU-Abgeordneten zugetraut, die Milbradt schädigen wollen.

Wie explosiv der Sprengstoff ist, kann sich heute erneut zeigen. In Wurzen bei Leipzig richtet die Partei die erste von drei Regionalkonferenzen aus, die die Parteispitze als Rezept gegen den Wahl-Kater angesetzt hat. Die Versammlungen sind als Ventil für den angestauten Frust gedacht. "Gelegenheit zur kritischen Bestandsaufnahme", nennt es CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer.

Milbradt, der am Mittwoch mit Hunderten Gratulanten seinen 60. Geburtstag feierte, weigert sich bislang standhaft die Alleinverantwortung für die Wahl-Niederlage zu übernehmen. Er verweist auf den angeblich müden Wahlkampf der Basis und auf die fast 60 Prozent Zustimmungswerte in der Bevölkerung. Forderungen nach einer Ämtertrennung tut Milbradt als unpolitischen Unfug ab: "Wir müssen die Menschen nicht noch dadurch unterhalten, daß wir uns untereinander streiten." Die Turbulenzen dieser Wochen erinnern an die Parteischlacht vor fünf Jahren, als sich Milbradt gegen Amtsvorgänger Kurt Biedenkopf durchzusetzen begann. Auch in der Staatskanzlei tragen manche Strippenzieher längst Sorgenfalten: "Das hört jetzt nicht mehr auf." Allerdings verweisen Strategen auch darauf, daß den eher einzeln agierenden Aufständischen noch eine zentrale Galionsfigur fehle. Zwar kommen Innenminister Thomas de Maizière als künftiger Regierungschef und Umweltminister Steffen Flath als neuer Parteichef in Betracht - doch beide hüten sich tunlichst, ihren Hut in den Ring zu werfen. Dennoch greift in der Union eine Ahnung langsam Raum: Milbradt sei wohl nicht der Mann für eine richtig lange Zukunft in Sachsen.
von Sven Heitkamp