Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 28.02.2005

Saalschlacht blieb aus

CDU-Chef Georg Milbradt war bei der ersten von drei Regionalkonferenzen erfolgreich: Niemand forderte seinen Rücktritt.
 
Der „Schweizer Garten" in Wutzen hat seine beste Zeit hat seine beste Zeit lange hinter sich und versprüht heute nur einen altertümlichen Charme.. Dennoch entschied sich Sachsens CDU am Wochenende für den Ort, um von hier aus die sehnsüchtig erhoffte Erneuerung der Partei einzuläuten. Auf der ersten von drei Regionalkonferenzen bekam die Basis die Gelegenheit, den Unmut über die verlorene Landtagswahl loszuwerden. Das sorgte im Vorfeld für reichlich Nervosität, nachdem kurz zuvor drei Kreisverbände einen neuen Parteivorsitzenden gefordert hatten.

Freundlichkeit statt Schelte

CDU-Chef und Ministerpräsident Georg Milbradt bekam dann in Wurzen von seinen Mitgliedern tatsächlich prompt einen Korb. In dem steckten regionale Leckereien, und er war als herzlicher Glückwunsch für Milbradts kürzlichen 60. Geburtstag gedacht. Freundliche Gesten statt kritischer Worte.

Dass die Stimmung im Saal nicht gegen ihn war, spürte Milbradt und nutzte es weidlich aus. In seiner Rede forderte er nicht nur vehement zur Einigkeit auf, die der Partei in Zukunft wieder die absolute Mehrheit im Land bescheren könnte. Geschickt übte Milbradt auch wohldosierte Selbstkritik Das Minus von 16 Prozent der Wählerstimmen „muss ich auch mir anrechnen lassen". Allein er ließ keinen Zweifel daran, dass es ohne ihn als Spitzenkandidaten schlimmer gekommen wäre. Der CDU-Chef konnte sich es sogar erstmals leisten, seine Kritiker aus den Kreisverbänden Meißen, Freiberg und Mittweida direkt frontal anzugehen. „Wer einen anderen Parteivorsitzenden will, soll Namen nennen oder den Mund halten." Dafür gab es lautstark Beifall.

Eine Watsche verteilte Milbradt zudem an Ex-Wissenschaftsminister Matthias Rößler. Der war in Wutzen, zwar nicht vor Ort, hatte aber in einem kritischen Thesenpapier „bayerische Verhältnisse" für Sachsens CDU eingefordert. Milbradt konterte kühl: Man hätte zwar einst bayerische Wahlergebnisse gehabt, ansonsten könne man beide Länder aber nicht vergleichen. Erneut gab es Beifall.

Auch in der folgenden Diskussionsrunde blieb die Basis zahm. Alltagsprobleme wie Schulschließungen oder die Mineralölsteuer beherrschten die Debatte. Daran änderte selbst der Vortrag des Chemnitzer Politikwissenschaftlers Eckhardt Jesse nichts, der zuvor ausführlich über die inhaltlichen Defizite der CDU referierte: wenig Anklang bei der Jugend, ein spröde wirkender Spitzenmann und fehlende Bürgernähe. In Wurzen konnte sich Milbradt, der morgen die zweite Regionalkonferenz in Bischofswerda bestehen muss, launig verabschieden: „Ich melde mich hiermit ab." Gemeint war eine zweitägige Dienstreise nach Rom.
Von Gunnar Saft


„Personalfrage nicht öffentlich diskutieren"
Gespräch mit Günther Schneider, CDU-Kreischef im Mittleren Erzgebirgskreis

Dienen die Regionalkonferenzen nur dem Dampfablassen oder haben sie auch einen praktischen Nutzen?

Es gibt viele konkrete Hinweise, wie die CDU sich verbessern kann. Es ist daher ein guter Schritt, miteinander zu reden. Bemerkenswert ist auch, wie viel über die sächsische Identität der Partei diskutiert wird - und wie diese erhalten werden kann. Klar ist, wir müssen stärker in den vorpolitischen Raum - in die Vereine, zu den Bürgern.

Gestritten wird auch, ob Ministerpräsident Georg Milbradt weiter auch Parteichef bleibt. Befürworter der Ämtertrennung nennen aber keine Alternativen.

Eine solche Frage muss innerparteilich und nicht öffentlich geklärt werden. Dabei kommen all diejenigen Optionen in Betracht, die die Sächsische Union voranbringen.

Hat die CDU zurzeit überhaupt genug gute Führungskräfte?

Natürlich haben wir genug helle Köpfe. Letztlich müssen sich aber die Mitglieder äußern, wen sie davon in der Verantwortung sehen möchten.

Ist Georg Milbradt durch die ganze Diskussion angeschlagen?

Unser Ministerpräsident ist keinesfalls angeschlagen. Die Monate nach der Landtagswahl waren zwar schwer. Dass die Koalitionsregierung steht und gut arbeitet, ist aber vor allem sein Verdienst. Die andere Frage ist, wie die CDU ein klares Profil gewinnt. Das ist die Zukunftsfrage schlechthin.
Gespräch: G. Saft