Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 02.03.2005

Milbradt-Kritiker Rößler geht auf 2. CDU-Regionalkonferenz in die Offensive

 
Bischofswerda. Mehr als einmal ging es äußerst turbulent zur Sache. Gerade war CDU-Chef Georg Milbradt in seiner Rede am Dienstagabend zum Punkt "Geschlossenheit" der Partei gekommen - da wurde er unterbrochen. "Herr Milbradt, kommen Sie zum Thema: die Erneuerung der sächsischen Union."

Der, der da etwas rüde dazwischen fuhr, saß vorne rechts, direkt neben Ex-Wissenschaftsminister Matthias Rößler (CDU). Und alle dachten: Hier spricht der Kreisverband Meißen, ein Hort der Milbradt-Gegner. Doch schon kam die Reaktion. Erst gab es Buhrufe aus dem gut gefüllten Saal, dann die Gegenwehr vom Regierungschef persönlich. "Wir müssen uns erst darüber unterhalten, wofür wir überhaupt da sind", meinte Milbradt kämpferisch - dann könne auch gestritten werden.

Dafür war allemal gesorgt im antiquierten "Kulturhaus" in Bischofswerda, dem Ort der nachWurzen zweiten CDU-Regionalkonferenz. Denn kaum war der offizielle Teil mit Reden und zwei Arbeitsgruppen abgeschlossen, ging Rößler selbst ans Mikrofon. "Lieber Georg", eröffnete der Meißner CDU-Kreis-Chef seine Attacke, "ich geb' Dir eines mit auf den Weg: Unsere Kritiker sind unsere Freunde, sie zeigen auf unsere Fehler". Das war ein Zitat des Schriftstellers Benjamin Franklin und sollte sagen: Er, Rößler, meine es im Grunde gar nicht böse, zumindest sei er nicht destruktiv.

Das sahen andere anders. "Deine Kritik war nicht wohlwollend", sagte zum Beispiel Ex-Justizminister Steffen Heitmann (CDU) Richtung Rößler, "aus ihr sprach Frustration". Noch härter ging ein Redner der Senioren-Union zu Werke, sprach von "Parteischädigung". Solch barsche Töne hatte der Meißner zuvor selbst angeschlagen. Erst ging Rößler Innenminister Thomas de Maizière (CDU) an, der ihn einst abgekanzelt habe ("Halt die Klappe, Matthias!"), dann beendete er seine Rede mit einem bitterbösen Hinweis: Der CDU-Kongress möge "bitte" nicht den Eindruck erwecken, als gehe es nur um "die Verbundenheit mit der Partei- und Staatsführung".

Auch dafür erntete der Ex-Minister Buhrufe. Doch nicht nur das, es gab vereinzelt durchaus Zustimmung. "Windschlüpfrig und stromlinienförmig" sei die Union geworden, blies ein Ex-Bürgermeister ins selbe Horn wie Rößler, die Partei sei "zu technokratisch 'rüber gekommen". Und dann kam de Maizière. Milbradt, griff der Innenminister die Stimmung im Saal geschickt auf, "hat natürlich Schwächen". Denn Leib und Seele brauche die CDU im Freistaat, "von Seele könnte es manchmal etwas mehr sein". Zuweilen gar sei Milbradt "schwierig", aber es seien halt "auch schwierige Zeiten". Fazit: Milbradt sei "unser Vormann und sollte unterstützt werden".

Das war der Tenor des Kongresses überhaupt: Kritik an Milbradt ja, Demontage nein. Denn letztlich stellte sich die überwältigende Mehrheit per Applaus klar hinter den Angeschlagenen. Kaum eine positive Regung gab es lediglich in den zwei Reihen rund um Rößler - und vielleicht noch bei einigen Teilnehmern weiter hinten links, wo die Getreuen des CDU-Abgeordneten Roland Wöller verhalten reagierten.

Am Ende aber reichte Milbradt selbst Rößler symbolisch die Hand. "Diese offene Diskussion ist gut für die Partei", sagte der Regierungschef und fügte an: "Lieber Matthias, ich möchte Dich herzlich bitten, mitzumachen". Nach Rößlers eigenem Verständnis hat er dies wohl längst getan.
Jürgen Kochinke