Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 26.02.2005

Teure Dienstwagen, bespitzelte Mitarbeiter und getürkte Dokumente

Chronik einer Skandalbank
 
20. Februar 2004: Die WELT berichtet über Mißmanagement und Vetternwirtschaft in der sächsischen Landesbank SachsenLB. Sie hatte unbequeme Mitarbeiter, darunter ein Ex-Vorstand und eine Personalrätin, von einem Ex-DDR-Abhörspezialisten ausspähen lassen. Ohne Ausschreibung war Andrea Braun, Lebensgefährtin von SachsenLB-Chef Michael Weiss, zur Chefin der Leasing-Tochter MDL berufen worden. Weiss hatte sich einen gut 140 000 Euro teuren Dienstwagen zugelegt und ihn zur Beförderung seines privaten Katamarans mit Anhängerkupplung ausrüsten lassen.

3. März: Sachsens Finanzminister Horst Metz (CDU), der Verwaltungsratschef der Bank, kündigt eine restriktivere Dienstwagenordnung an. Die "Börsenzeitung" schreibt vom "Hauch von Enronitis" in Sachsen.

23. März: Ehemalige Bankangestellte versichern an Eides Statt, Frau Braun habe sie noch in ihrer Funktion als Vorstandsbüroleiterin dazu aufgefordert, vertrauliche Berichte über die Arbeits- und Lebensweise von Kollegen zu erstellen. Die Opposition spricht von "Schnüffelbank", die SachsenLB von "Rufmord". Die Bank kündigt juristische Schritte an. Sie unterbleiben aber.

31. März: Finanzminister Metz behauptet, Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young hätten Vorwürfe gegen das Management entkräftet. Wegen "weiterer in den Medien erhobener Vorwürfe" schaltet er erneut die Prüfer ein.

5. Mai: Die sächsische Regierung gibt zu, daß Bankvorstände zwischen 1993 bis 1995 - damals war der heutige Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) Verwaltungsratschef der SachsenLB - entgegen den Verwaltungsvorschriften gleichzeitig über zwei Dienstwagen verfügten.

12. Mai: Dem Haushalts- und Finanzausschuß des sächsischen Landtags werden die Prüfberichte von Ernst & Young vorenthalten. Als sie publik werden, zeigt sich, daß die versprochene Aufklärung von Mißständen bestenfalls oberflächlich erfolgt war.

25. Mai: Die SachsenLB schließt den WELT-Korrespondenten als unerwünschte Person von der Bilanzpressekonferenz aus. Milbradt mißbilligt das Vorgehen, Thomas Jurk, damals SPD-Fraktionschef und heute Wirtschaftsminister, sagt: "Wer auf solchem Weg die Pressefreiheit in Frage stellt, ist in einem öffentlichen Amt nicht zu halten."

25. November: Die Wirtschaftsprüfer von Deloitte & Touche legt eine Sonderprüfung zur MDL vor, die die verfeindeten MDL-Aktionäre SachsenLB und IIL bestellt hatten. Für die Landesbank fällt das Resultat vernichtend aus. MDL-Chefin Braun sieht sich mit Vorwürfen wie Vermögensverschiebung und Verletzung von Vorstandspflichten konfrontiert.

6. Januar 2005: Sparkassenfunktionäre nennen eine Transparenz der Risikostruktur der Landesbank-Gruppe als Voraussetzung, um an einer Kapitalerhöhung der SachsenLB teilzunehmen.

11. Januar: Das Oberlandesgericht Dresden gibt einer Anfechtungsklage der IIL statt und hebt mehrere Hauptversammlungsbeschlüsse der MDL auf. Für die Richter sprechen die Umstände dafür, daß die Bank eine nach Aktiengesetz obligatorische Besitzanzeige rückdatiert haben könnte. Trotz des von den Richtern ausgesprochenen Verdachts der Urkundenmanipulation schützt die Landesregierung das Management der SachsenLB.

12. Januar: Die NPD fordert im Landtag einen Untersuchungsausschuß, die anderen Parteien weisen den Vorstoß aus rechtsstaatlichen Erwägungen zurück.

17. Januar: SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss macht in der Affäre um das rückdatierte Papier Druck auf Koalitionspartner CDU: "Dieser Vorgang muß personelle Konsequenzen haben."

19. Januar: Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen den Chef des Vorstandsbüros der SachsenLB wegen falscher uneidlicher Aussage.

31. Januar: Die Staatsanwaltschaft Leipzig leitet gegen Braun Ermittlungen wegen Insolvenzverschleppung ein. Kurz darauf verteidigt Milbradt die MDL-Chefin im Gespräch mit Journalisten.

5. Februar: Medien berichten über Bilanzkosmetik: Die SachsenLB habe faule Immobilienengagements in die Real Immobilien GmbH verschoben und so Wertberichtigungen umschifft. Zu überhöhten Preisen seien Objekte von Geschäftspartnern übernommen und gegen den Willen von Sparkassenvertretern von der Bank finanziert worden.

23. Februar: Die WELT berichtet über die Urkundenaffäre. Faksimilierte Beweisstücke legen die Fälschung der Besitzanzeige für die MDL nahe. Die SachsenLB behauptet zunächst, dieser Zeitung seien gefälschte Unterlagen zugespielt worden. Später heißt es, von dem Dokument existierten in Kopie zwei Versionen, das Original sei verschwunden.

24. Februar: Die Staatsanwaltschaft Dresden läßt die Räume der MDL durchsuchen.

DW - Uwe Müller