Karl Nolle, MdL

Agenturen dpa, 18:15 Uhr, 09.03.2005

Regierungspräsident erteilt Oberbürgermeister Tiefensee Verweis

 
Leipzig (dpa/sn) - Die Querelen um den Umbau des Leipziger Zentralstadions und des Alten Rathauses haben für Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) einen Verweis zur Folge. Vier Wochen vor der Oberbürgermeisterwahl am 10. April hat Regierungspräsident Walter Christian Steinbach (CDU) seine disziplinarischen Vorermittlungen mit diesem Ergebnis beendet, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Das Verfahren war vor gut acht Monaten eingeleitet worden.

Tiefensee habe den Stadtrat sowie die Verwaltung wiederholt bei wichtigen Vorgängen zu den Bauarbeiten nicht ausreichend informiert und damit gegen die Sächsische Gemeindeordnung verstoßen, hieß es. Tiefensee wehrt sich gegen diesen Vorwurf und kündigte Rechtsmittel gegen den Verweis an. «Ich habe den Stadtrat immer zeitgerecht und umfänglich in Kenntnis gesetzt, auch wenn im Einzelfall der Ältestenrat von mir zuerst informiert wurde», sagte Tiefensee.

Sein CDU-Konkurrent im Rennen um das Oberbürgermeisteramt, Robert Clemen, wertete den Verweis politisch als eine «Katastrophe» für Tiefensee. Die Maßnahme habe die Führungsschwäche an der Spitze der Stadtverwaltung in den Blickpunkt gerückt, sagte Clemen.

Nach Auffassung von Steinbach hat der Oberbürgermeister jedoch in den vorliegenden Fällen nachweislich seine Pflicht zur Information nicht in dem gebotenen Umfang erfüllt. «Dies gilt im Besonderen, weil gleichzeitig im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen "Altes Rathaus" und "Zentralstadion" auch massive Vorwürfe gegen leitende und vom Stadtrat gewählte Beigeordnete erhoben worden sind», sagte Steinbach. Bei beiden Baumaßnahmen waren erhebliche Mehrkosten entstanden.

Das Regierungspräsidium führt im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen ein Disziplinarverfahren gegen den früheren Kämmerer der Stadt Leipzig, Peter Kaminski. Dabei wird geprüft, ob der CDU-Politiker im Zusammenhang mit dem Umbau des Alten Rathauses seine Kompetenzen überschritten und der Stadt Schaden durch die Kostenexplosion zugefügt hat. Kaminski steht im Zentrum von Untreue-Ermittlungen der sächsischen Anti-Korruptionseinheit INES und ist im vergangenen Dezember abgewählt worden. Eine Ende der Ermittlungen ist offen.

Der Verweis gegen Tiefensee ist laut Regierungspräsidium die geringste Maßnahme nach dem Beamtenrecht. Erhält das Stadtoberhaupt wegen eines gleichartigen Verstoßes erneut einen Verweis, wäre eine Geldbuße als Strafe wahrscheinlich. Mit den Ermittlungen war Tiefensee zum zweiten Mal ins Visier der Behörde geraten. 2003 waren disziplinarische Vorermittlungen im Zusammenhang mit einer Beschäftigungsgesellschaft wegen Verjährung eingestellt worden. Auch damals stand der 50-Jährige in Verdacht, den Stadtrat unzureichend informiert zu haben.

dpa vk yysn ju
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