Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 12.03.2005

Heftige Debatte im Landtag um Toleranz und NPD

 
Dresden. Für heftigen Tumult war allemal gesorgt. Kaum hatte der Neuabgeordnete Alexander Krauß (CDU) aus demErzgebirge die rechtsextreme NPD im Landtag als "Nationalsozialisten" bezeichnet, hagelte es Protest von ganz rechts außen. Erst verließ der NPD-Abgeordnete Jürgen Schön den Plenarsaal, dann versuchte NPD-Heißsporn Jürgen Gansel, sich per Zwischenruf einzuschalten. Doch es half wenig, Krauß ließ sich nicht beirren. Im Internet der NPD-Jugend fänden sich Verweise auf die NS-Rassenpolitik, so sein Tenor, auf "Auslese und Ausmerzen von Menschen". "Dieses Menschenbild ist rassistisch", sagte Krauß unter großem Beifall der meisten Abgeordneten.

Damit war das Szenario eröffnet. Fraktionschefs wie Cornelius Weiss (SPD) und Antje Hermenau (Grüne) gratulierten dem 29-jährigen Krauß demonstrativ zu seiner Rede, und auch Regierungschef Georg Milbradt (CDU) kam außerhalb des Protokolls an dessen Bank. Grund: Bei der Debatte um ein "weltoffenes und tolerantes" Sachsen waren sich alle anderen Fraktionen einig. Die rechtsextreme NPD predige Rassismus, ihr Programm sei fremdenfeindlich motiviert.

Weiss zum Beispiel nannte die Angst der NPD vor Überfremdung "eine Spielart von Verfolgungswahn". Johannes Lichdi (Grüne) meinte, gerade die Rechtsextremen würden "deutsche Tradition mit Füßen treten". FDP-Mann Jürgen Martens warnte vor der "Abschottung" des Landes nach außen und sagte, wer die Menschenwürde Einzelner angreife, der greife die Menschenwürde aller an. Cornelia Ernst schließlich sprach von "ausgeprägtem Ausländerhass". Laut Hermenau besteht das Geheimnis der Demokratie genau darin, dass Menschen selbstbestimmt nach gemeinsamen Regeln friedlich miteinander leben: "Wer einen Teil dieser Regeln abschaffen will, ist nicht innerhalb dieser Gemeinschaft." Die NPD-Abgeordneten hätten nicht begriffen, dass sie "außerhalb des Fußballfelds versuchen, Fußball zu spielen".

Das brachte NPD-Fraktionschef Holger Apfel in Rage. Unter Protest und Zwischenrufen ("Reichsapfel", "Blockwart") bezeichnete er die anderen Parteien erst als "Heuchler", dann ging er aufs Ganze: Wer "das Fremde mästet und die eigene Identität zerstört", betreibe eine "volksfremde Politik". Nur die NPD könne "verhindern, dass die Deutschen eines Tages nur als Eingeborene in Reservaten belächelt werden können".

Und so ging es munter weiter. SPD-Mann Karl Nolle sprach von "brauner Brut" - und kassierte einen Ordnungsruf dafür. NPD-Gansel redete von "Bekleidungsinteressen von Asylbetrügern" - und zog nach einer Aufforderung aus dem Präsidium das böse Wort zurück. Für die finale Pointe aber sorgte Hermann Winkler (CDU). Am Ende seiner Rede platzierte der Staatskanzleichef einen Vergleich zwischen der Radsportlegende Täve Schur und NPD-Bundeschef Udo Voigt - auch, um die PDS zu ärgern. Voigt habe Hitler einen "großen Staatsmann" genannt, sagte Winkler. Als PDS-Wahlkämpfer aber habe Schur 1998 gemeint: "Hitler hat die Probleme ja noch in den Griff gekriegt, indem er Autobahnen baute. Heute sind die Probleme zu groß dafür." Der PDS-Abgeordnete Volker Külow, damals Wahlkampfmanager von Schur, sprach von "verkürzter Wiedergabe", Winklers Worte seien ein "neuer Tiefpunkt der politischen Kultur". Die PDS verlangt eine Entschuldigung.
Jürgen Kochinke