Karl Nolle, MdL

Lausitzer Rundschau, 12.03.2005

NPD im Kreuzfeuer der Kritik

Landtags-Debatte zu Demokratie und Toleranz gerät zur Abrechnung
 
Sachsens Landtagsabgeordnete haben der rechtsextremen NPD Rassismus vorgeworfen. Eine Debatte über ein „weltoffenes und tolerantes“ Sachsen endete gestern im Parlament mit scharfer Kritik an Äußerungen und am Auftreten der NPD. Wer bei einem Ausländeranteil von 2,3 Prozent im Freistaat von einer Überfremdung spreche, sei wirklichkeitsfern, sagte Jürgen Martens (FDP).

Der Tagesordnungspunkt „Die sächsische NPD und ihre Verbindungen zur militanten Rechtsextremismusszene“ gestern im Dresdner Landtag wurde gestrichen. Die PDS hatte ihren Antrag zurückgezogen, weil Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sich zum Thema ausführlich im Innenausschuss äußern will. Der als Mitglied der verbotenen Neonazi-Gruppe „Skinheads Sächsische Schweiz“ verurteilte Thomas R. war dennoch nicht umsonst auf die Zuschauertribüne gekommen. Er konnte etwa anderthalb Stunden lang eine von der SPD-Fraktion beantragte Debatte unter dem Titel „Sachsen – ein demokratisches, tolerantes und weltoffenes Land“ verfolgen, die letztlich zur Generalabrechnung mit den rechtsex tremen Volksvertretern werden sollte.

Großer Beifall für Krauß

Der jugendpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Alexander Krauß, machte den Anfang und bezeichnete die NPD-Abgeordneten unter deren Protest als „Nationalsozialisten“. Zur Begründung führte er einen Verweis ihrer Jugendorganisation im Internet auf den vermeintlich „bedeutenden Anthropologen“ Hans Dietrich Karl Günther an, der die NS-Rassenpolitik begründet habe. „Rasse-Günther“ habe „Auslese und Ausmerzen von Menschen“ gefordert. „Dieses Menschenbild ist rassistisch“, sagte Krauß unter großem Beifall vieler Abgeordneter.

Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau lobte später ausdrücklich den Mut von Krauß. Sie gratulierte dem Mann aus dem Erzgebirge als erste für seinen Beitrag und nach Cornelius Weiss (SPD) bekam der 29-Jährige auf seinem Abgeordnetenplatz auch noch Besuch von zwei Parteifreunden, Justizminister Geert Mackenroth und Regierungschef Georg Milbradt.

Weiss nannte die Angst der NPD vor Überfremdung „eine spezielle Sorte von Verfolgungswahn“. FDP-Rechtsexperte Jürgen Martens sagte, wer die Menschenwürde Einzelner angreife, der greife die Menschenwürde aller an. Die Zukunft Sachsens liege „nicht in national befreiten Zonen“ und auch nicht darin, „Mauern“ zu errichten. Es gebe eine globalisierte Welt, das könne man nicht ändern. Laut Hermenau besteht das Geheimnis der Demokratie genau darin, dass Menschen selbstbestimmt nach gemeinsamen Regeln friedlich miteinander leben: „Wer einen Teil dieser Regeln abschaffen will, ist nicht innerhalb dieser Gemeinschaft.“ Die NPD-Abgeordneten hätten nicht begriffen, dass sie „außerhalb des Fußballfeldes versuchen, Fußball zu spielen“.

NPD-Fraktionschef Holger Apfel hatte zuvor gesagt, dass seine Partei im Unterschied zu allen anderen keinen „multikulturellen Einheitsbrei“, sondern „die Völker in ihrer kulturellen Eigenart erhalten“ wolle. Die NPD bezeichnete er als einzige politische Kraft, deren zentrales Anliegen es sei, „zu verhindern, dass die Deutschen eines Tages nur als Eingeborene in Reservaten belächelt werden können“. Der Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi warf Apfel daraufhin „unverhüllten Rassismus“ vor. Nur wer seine eigene kulturelle Identität nicht gefunden habe, könne so einen „geistigen Abfall“ von sich geben.

Lebhafte Debatte

In der lebhaften Debatte verhängte Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) einen Ordnungsruf an den SPD-Abgeordneten Karl Nolle, der die NPD als „braune Brut“ bezeichnet hatte. Der NPD-Vertreter Jürgen Gansel schrammte dagegen an einer Disziplinarmaßnahme vorbei, da er nach einer entsprechenden Aufforderung des Präsidiums von seinem Begriff „Asylbetrüger“ wieder Abstand nahm.
Staatskanzleichef Hermann Winkler (CDU) sagte dagegen, die große Mehrheit habe Parteien gewählt, die die Demokratie repräsentieren. 80 Prozent der NPD-Stimmen seien von Protestwählern gekommen. Jetzt gehe es darum, die Protestwähler ins demokratische Spektrum zurückzuholen.
Von Tino Moritz