Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 17.03.2005

Milbradt zwingt CDU zum Offenbarungseid

Nach drei Krisenrunden will der Parteichef den kompletten Erfolg: Ein klares Votum der Basis für seinen neuen „General“.
 
Auch diesmal war wieder alles ganz anders. Traf Sachsens CDU-Chef und Ministerpräsident Georg Milbradt auf der ersten Regionalkonferenz seiner Partei in Wurzen noch auf totale Gleichgültigkeit, kam es später in Bischofswerda zu offenen Attacken seiner Kritiker, die ihn zur Aufgabe des Parteivorsitzes zwingen wollen. In Burkhardtsdorf bei Chemnitz, wo die letzte der drei Krisenrunden vor dem Sonderparteitag am 23. April stattfand, war es dann die differenzierte Kritik der Basis, die überraschte.

Zwar wurde auch in der Zwönitztalhalle laut und deutlich geschimpft. Über die verlorene Landtagswahl, die Zwänge der Koalition, bei der die Lasten zu Ungunsten der CDU und zum Vorteil der SPD verteilt seien, und immer wieder über die unpopulären Schulschließungen. Milbradt selbst stand dabei aber nur einmal im Visier. Peter Jahr, Bundestagsabgeordneter und CDU-Kreischef in Mittweida, bestand erneut auf einer Ämtertrennung, obwohl inzwischen klar ist, dass sich dafür auf dem Sonderparteitag kaum eine Mehrheit finden dürfte. Nachdem sich Milbradt mit Erfolg gegen eine solche Lösung ausgesprochen hat, rücken sogar Jahr-Mitstreiter wie Ex-Wirtschaftsminister Martin Gillo von ihrer eigenen Idee ab. Ans Pult ging Gillo erst gar nicht. Begründung: Wenn Milbradt auf dem Parteiamt bestehe, müsse man es ihm eben lassen.

Milbradt selbst hatte in dem Moment schon vorgelegt: Um die Erneuerung der Sachsen-CDU nach der schweren Wahlschlappe abzuschließen, sei noch ein letzter Vertrauensbeweis nötig. Der Parteichef forderte die Basis auf, nun auf dem Sonderparteitag seinem Vorschlag zu folgen und den 29-jährigen Michael Kretschmer zum neuen CDU-Generalsekretär zu wählen – und das „mit großer Mehrheit“. Offenbar fühlt sich Milbradt nach den Regionalkonferenzen stark genug, um diesen Stimmungstest in eigener Sache erfolgreich zu bestehen.

Helfen könnte ihm dabei der Umstand, dass Kretschmer, der für die CDU im Bundestag sitzt, aus Görlitz stammt. Denn erstmals gab es in Burkhardtsdorf auch eine unerwartet deutliche Kritik an Milbradts bisheriger Personalpolitik als Regierungschef. „Die Personalsuche im Westen für Posten in der sächsischen Verwaltung sollte beendet werden. Wir können jedes Amt auch aus unseren Reihen besetzen“, forderte der Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz aus Stollberg. Dafür gab es an dem Abend den längsten und heftigsten Applaus. Premier Milbradt, dessen nach der Landtagswahl neu rekrutierten CDU-Minister und Staatssekretäre allesamt eine West-Vita haben, sollte das nachdenklich stimmen. Offenbar bekennt sich die Sachsen-CDU gerade zu einem seit langem schwelenden Reizthema.
Von Gunnar Saft