Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 22.03.2005

NPD - das Ende der Euphorie

 
Dresden. In den zweiten Stock im sächsischen Landtag ist Ernüchterung eingekehrt. Zwar arbeiten die zwölf Abgeordneten der rechtsextremen NPD als wäre nichts geschehen. Doch der Siegestaumel der ersten Wochen ist verflogen. Grund für den Stimmungswechsel bei den Rechtsextremen an der Elbe ist die verlorene Wahl in Schleswig-Holstein: Nur 1,9 Prozent Ende Februar im Norden, zu wenig für die NPD.

Das sorgt für innere Verwerfungen. "Unsere Erwartungshaltung", schreibt NPD-Bundeschef Udo Voigt in der März-Ausgabe des Parteiblatts "Deutsche Stimme", "lag deutlich über dem erzielten Ergebnis". Selbst Skeptiker hätten mehr erwartet. Und dann geht Voigt seine Parteifreunde in Dresden direkt an. Trotz Dauerpräsenz in den Medien sei der erhoffte "Mitnahmeeffekt" aus Sachsen ausgeblieben, Grund sei auch die Debatte um den "Bomben-Holocaust". Dafür hatten die sächsischen NPD-Abgeordneten Holger Apfel und Jürgen Gansel gesorgt, und das Fazit von Voigt lautet: Die Resonanz sei "kontraproduktiv gewesen" - viel Eklat um Nazi-Deutschland und keine Sozialpolitik.

Das trifft die Fraktion unmittelbar. Denn mit Hartz IV hatten die Rechtsextremen in Sachsen im September punkten können. Im parlamentarischen Alltag aber griff die NPD das Thema nicht mehr auf. Viel lieber sprachen Apfel und Co. vom "Fanal von Dresden" und Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx vom generellen Ziel der NPD: Der Eroberung der Republik bei der Bundestagswahl 2006.

Die ist mit Kiel in weite Ferne gerückt. "Aus eigener Kraft schaffen wir es wohl nicht", meint Sachsens NPD-Chef Winfried Petzold zähneknirschend, "nur noch Fehler unserer Gegner" könnten helfen. Grund: Auch in Nordrhein-Westfalen (NRW), der nächsten Landtagswahl in diesem Jahr, droht den Rechtsextremen ein Desaster. Es fehlen Aktivisten in den Kommunen. Hartwig Möller, Verfassungsschutzchef in NRW, gibt der NPD kaum mehr als ein Prozent. Fallen die Rechtsextremen aber in Düsseldorf und Berlin durch, bliebe ihr Erfolg auf Sachsen beschränkt.

Das hat Folgen an der Elbe. Mit dem Ende der Euphorie kommen NPD-interne Streitereien ans Tageslicht, nicht zuletzt Ost gegen West. Während die sächsische NPD als Partei von Altkameraden-Ost wie Petzold geführt wird, dominieren West-Kader die Fraktion. Neben Apfel (Hildesheim) und Gansel (Opladen) gilt dies vor allem für Marx, der aus dem Saarland kommt. Dabei geht es auch um den Einsatz von Marx als OBM-Kandidat in Leipzig. Skeptisch ist nicht zuletzt Parteichef Petzold. Tenor: Der Versuch sei wenig sinnvoll, das Geld - 20.000 bis 30.000 Euro - wäre woanders besser angelegt.

Das ist nicht das einzige Problem von Marx. Kritisch beäugt wird auch dessen Ämterhäufung. Der NPD-Strippenzieher ist nicht nur Fraktionsgeschäftsführer und OBM-Kandidat, sondern auch Bundesvize. Und ganz nebenbei ist er noch zweifacher NPD-Landeschef, im Saarland und in Rheinland-Pfalz. "Die Personaldecke ist dünn", räumt Matthias Paul, NPD-Sprecher in Sachsen, ein. "Marx neigt zur Selbstdarstellung", sagt Petzold. Hinzu kommt eine ungeklärte Frage: Wie radikal gibt sich die NPD? So wollen die Rechtsextremen zwar in der politischen Mitte auf Wählerfang gehen. Gleichzeitig aber wollen sie die militanten Kameradschaften nicht verprellen. Folge ist ein Spagat zwischen Spießbürger-Image und neo-nationalsozialistischen Provokationen.

Das spiegelt sich auf zwei Feldern wider. Zum einen gibt es seit Wochen in der rechtsextremen Szene einen herben Schlagabtausch im Internet über die beiden Mercedes-Dienstlimousinen der Fraktionsspitze in Sachsen. Radikalen Kameraden gilt das schlicht als dekadent, der Titel lautet entsprechend: "Die NPD verrät ihre Wähler."

Zum anderen gärt ein Richtungsstreit ums öffentliche Auftreten. Anlass ist der NPD-Landesparteitag. Der fand Anfang März in Neundorf bei Annaberg statt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Altkader wie Petzold bemühen hier den Zwang zum "Schutz" der Delegierten als Erklärung, Parteitaktiker wie Marx befürchten Schlimmes. Verschlossene Dorfgaststätten, so die Ahnung, passen nicht zum Bild einer wahltaktisch geläuterten NPD - dafür aber zum Schmuddel-Image einer alten Kameradschaft.
Jürgen Kochinke