Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung Görlitz, 09.04.2005

Krise für Görlitzer Tankstellen dauert an

Benzinpreise. Ein Modell, das verbilligtes Tanken im deutschen Grenzgebiet ermöglicht, ist immer noch weit entfernt.
 
Dass es irgendwann einmal Steuererleichterungen für seine Tankstelle geben wird, hat Elf-Pächter Gunter Richter aus Görlitz eigentlich schon abgehakt. „Von der Sache hat man immer wieder geredet, aber es hat sich nichts getan“, sagt Richter frustriert. Ein Chipkartensystem, mit dem Bewohner der Grenzregion an einheimischen Tankstellen verbilligt Benzin zapfen könnten, würde nicht nur Richter, sondern tausende Tankstellenpächter im ganzen Grenzgebiet um einige Existenzsorgen erleichtern. Ein entsprechendes Modell ist jedoch nach wie vor nicht in Sicht.

Dem neuerlichen Vorstoß von SPD- und CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag, Berlin zu einer Lösung zu bewegen, sieht Richter deshalb fast gleichgültig entgegen. „Das ist doch schon der x-te Versuch, der immer wieder unternommen wird, wenn die Benzinpreise steigen. Trotzdem meint Eichel, er sehe keinen Handlungsbedarf.“

Dass die Aussicht auf Erfolg des Antrages gering sei, meint auch Karl Nolle, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Dresdner Landtag. Dennoch versuche man, in Berlin eine Veränderung des Denkens zu erreichen. „Es kann nicht sein, dass die Tankstellen mehr Cola als Benzin verkaufen“, so Nolle.

Bis zu 100 000 Liter Verlust

Mit Cola kann Pächter Richter die Einbußen auch nicht wettmachen. „80 bis 90 Prozent der Kunden fahren eine Tankstelle nur zum Tanken an und sehen dann, ob sie aus dem Shop noch dies oder das brauchen.“ Die Konsequenz: Auch Zusatzservice wie die Waschstraße rechnet sich nicht mehr, Einsparungen und Personalreduktion sind die Folgen. Zwei Tankstellen in Görlitz mussten in der letzten Zeit schon aufgeben. Um wirtschaftlich zu sein, muss eine Tankstelle zwischen 150 000 und 180 000 Litern jährlich verkaufen. Die durchschnittliche Tankstelle in der Region schafft gerade mal 66 000 bis 80 000 Liter.

Der Tanktourismus rollt indes ungebrochen weiter in Richtung Polen und Tschechien. Auch wenn der Preisunterschied durch Kursschwankungen derzeit nicht mehr ganz so groß ist – bei einer Tankfüllung lohnt sich die Reise über die Grenze immer noch. Warum in Deutschland keine Lösung wie an der italienisch-slowenischen Grenze greifen kann, ist für die Betroffenen ein Rätsel. Dort gibt es das Chipkartensystem seit mehreren Jahren.

Michael Kretschmer, Bundestagsabgeordneter der CDU, hat sich in Italien selbst ein Bild davon gemacht. Die Italiener seien nicht so dumm, die Leute zum Tanken ins Nachbarland fahren zu lassen und Steuern zu verlieren. Das italienische Modell ist zwar eine Ausnahmegenehmigung und braucht eine besondere Regelung, die angesichts der EU-Gesetzgebung nicht einfach durchzusetzen ist. Die Leute, denen der Arbeitsplatzverlust drohe, fragten aber nicht danach, ob es schwierig sei oder nicht, so Kretschmer.

Zwar ist das Modell zeitlich begrenzt und werde laut SPD-Bundestagsmitglied Christian Müller wahrscheinlich nicht verlängert. Dennoch konnten in Italien dadurch bisher Millionen Euro an Steuereinnahmen gerettet werden. In Deutschland gingen bereits etwa 1,7 Milliarden Euro verloren.
Von Cornelia Sommerfeld