Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 12.04.2005
Tiefensee im Hoch – SPD im Mitglieder-Tief
Der SPD gelingt es nicht, den „Tiefensee-Effekt“ für sich zu nutzen.
„Ich bin immer wieder begeistert, wie viele Menschen sich Sorgen machen um meine Karriere“, meint Wolfgang Tiefensee. Und wieder einmal klingt ein leichter Anflug von Gereiztheit in der Stimme des frisch bestätigten Leipziger Oberbürgermeisters mit. Kein Amt der Welt, ob in Berlin oder Dresden, scheint ihn aus Leipzig weglocken zu können.
Siegen ja, aber lieber still als laut. Das ist Tiefensee. Und leider auch so bescheiden, dass schon in Chemnitz, Dresden oder Bautzen davon kaum mehr etwas von seinen Erfolgen, die auch SPD-Erfolge sind, zu hören ist.Dabei hätte die Landespartei, bei der September-Wahl auf unter zehn Prozent geschrumpft, doch so bitter nötig, was Tiefensee im zweistelligen Überfluss hat: Erfolg. Doch der „Tiefensee-Effekt“ verpufft.
„Der Wahlerfolg von Wolfgang Tiefensee war nicht nur ein lokales Ereignis“, hält Martin Dulig, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, dagegen. „Das war Balsam für die geschundene Seele.“ Die Stimmung in der SPD sei seit gestern wieder „etwas besser“. Bei der Mitglieder-Entwicklung hat sich das jedoch noch nicht niedergeschlagen. Die Partei rutscht weiter ab, vereint in Sachsen jetzt nur 4 430 Genossinnen und Genossen.
In der SPD werde gegenwärtig darüber diskutiert, wie die Partei wieder stärker zu Wort kommen könne, umschreibt Dulig eines der Grundprobleme der Partei, die zwar in Regierungsverantwortung aufgestiegen ist und dafür alle personellen Reserven auch aus der Landtagsfraktion aufgezehrt hat, aber doch in eigener Profilschärfe abzusteigen droht. Gesucht werde nach Personen, die diese Funktion künftig wahrnehmen könnten. Dazu müsse der Landesverband aber nicht unbedingt einen Generalsekretär einstellen, meint Dulig.
Andere Sozialdemokraten, andere Meinung. Sie ziehen das CDU-Modell vor: Der stellvertretende Ministerpräsident und SPD-Landeschef Thomas Jurk neben einem starken „General“, der auf Koalitionszwänge keine Rücksicht nehmen muss. Die Zeit drängt. Denn die nächsten Landtagswahlen rücken heran: Wenn in Nordrhein-Westfalen eine weitere SPD-Bastion fällt, wird die SPD es auch in Sachsen noch schwerer haben, sich in der Koalition zu behaupten und die Partei neu aufzustellen.
Von Karin Schlottmann und Annette Binninger