Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 12.04.2005

Leipziger Wahlergebnis öffnet neue Gräben

 
Leipzig/Dresden. "Die Entwicklung in den Städten ist alarmierend", warnte 2001 der Autor des Thesenpapiers "Aufbruch statt Routine". Und es bestehe die Gefahr, dass der Niedergang auch andere Landesteile erfasse. Geschrieben wurden die Sätze im August 2001 vom späteren CDU-Parteichef und Ministerpräsidenten Georg Milbradt unter dem Titel: "Zur Lage der sächsischen Union".

Das Leipziger Wahlergebnis hat den Satz bestätigt: Mit einem einstelligen Ergebnis von 9,8 Prozent für den Oberbürgermeister-Kandidaten Robert Clemen erlebte die Sachsen-Union ein Desaster, während Sozialdemokrat Wolfgang Tiefensee als Oberbürgermeister mit 67,1 Prozent bestätigt wurde. Dabei hatte Clemen als Zielmarke 20 Prozent und das Erreichen eines zweiten Wahlganges genannt. Manche Parteifreunde hatten sogar daran geglaubt.

In der angeschlagenen CDU sorgte das schwache Resultat für neue Kritik. "Die Wahlziele wurden verfehlt. Wenn man weiß, dass Bürgermeisterwahlen Personenwahlen sind, muss man frühzeitig überzeugende Angebote aufbauen", sagt Christdemokrat Roland Wöller, der die Debatte seit der Landtagswahlschlappe mit anführt. "Der ganze Landesverband - auch der Vorstand - muss das Defizit ernst nehmen", fordert Wöller und zielt damit auch auf Milbradt. Jetzt müsse sich die CDU in Görlitz und Dresden bewähren.

In Leipzig hatte sich die CDU im Vorfeld der Wahl schon mit der Kandidatensuche schwer getan. Clemen habe man letztlich Wohlwollen bei künftigen Personalentscheidungen zugesagt, wenn er antrete, munkelt man in der CDU-Fraktion. In der Staatskanzlei wurden aber schon vorm Wahltag Bedenken laut, ob er ein zweistelliges Ergebnis einfährt. Leipzig dürfte beim Parteitag in zehn Tagen in Bad Düben eine Rolle spielen, auch wenn sich Generalsekretär Michael Kretschmer betont gelassen gibt: "Bei Bürgermeisterwahlen gelten eben eigene Gesetze. Wir bekommen andernorts auch 80 oder 90 Prozent."

Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt geht derweil mit der CDU hart ins Gericht: "Die Union ist über einen Versuch, für das städtische Publikum attraktiv zu sein, nicht hinausgekommen. Sie trifft nicht die Erwartungshaltungen und Sichtweisen der Großstädter und agiert an den Leipzigern vorbei." Die Union finde sich offenbar mit ihrer Minderheitenrolle ab. Aufatmen folgt auf die schlappen 2,4 Prozent für die NPD. Patzelt: "Die NPD-Präsenz ist offensichtlich kein Selbstläufer in Sachsen."

Zufrieden ist die PDS: Das 15,8-Prozent-Ergebnis für Barbara Höll habe gezeigt, dass ihre Partei zweitstärkste Kraft in Sachsen sei, so PDS-Chefin Cornelia Ernst, auch wenn man mehr Stimmen erhofft hatte.
von Sven Heitkamp