Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 08.11.2000

Über allen schwebt der virtuelle Kandidat

In Dresden streitet die Opposition um einen gemeinsamen Herausforderer
 
DRESDEN. Die Wahl der neuen Oberbürgermeister und Landräte in Sachsen ist im kommenden Sommer. In Dresden genau am 10. Juni 2001. Doch an der Elbe hat schon jetzt ein Wahlkampf eingesetzt, der eine zünftige Schlammschlacht erwarten lässt. Dabei gibt es genau genommen noch gar keine offiziellen Kandidaten, nur der Amtsinhaber Herbert Wagner wurde von seiner CDU schon wieder aufgestellt. Er ist dafür der einzige, der bisher noch nichts gesagt hat. Umso heftiger tobt der Kampf der Oppositionsparteien untereinander. Da bemüht sich der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle, dessen endgültige Nominierung am 6. Januar 2001 ansteht. Den will aber die PDS nicht. "Nolle ist chancenlos", tat der Chef der PDS-Ratsfraktion, Ronald Weckesser, den Sozialdemokraten locker ab. Die PDS droht dafür mit ihrer Bundestagsabgeordneten Christine Ostrowski, wenn Nolle nicht von seiner Bewerbung abrückt. Ihre Kandidatur muss der Delegiertenparteitag im Februar 2001 bestätigen. Und über allen schwebt der virtuelle Kandidat Wolfgang Berghofer, dessen Namen die PDS immer wieder ins Spiel bringt, was dem aber gar nicht so recht zu sein scheint. "Berghofer und Ostrowski sind Leute von gestern", schlug Nolle zurück. Egon Krenz und Margot Honecker seien auch keine Alternative für Dresden. Die Opposition im Dresdner Rathaus, PDS, SPD und Grüne, ist sich nur in einem Punkt einig: "Wagner muss weg." Deswegen hatte man jahrelang von einem gemeinsamen, unabhängigen Herausforderer Wagners geschwärmt, den alle Oppositionsparteien tragen könnten. Und auch schon einen ausgeguckt. Doch der Traumkandidat, Kulturbürgermeister Jörg Stüdemann, ging lieber nach Dortmund. Darüber, wie Wagner jetzt gestürzt werden soll, gibt es so viele Ansichten wie Oppositionsparteien. SPD und PDS hantieren mit eigenen Kandidaten. Und dann kam Berghofer ins Spiel. Doch ihn lehnen SPD und Grüne ab. Berghofer selbst will sich noch nicht festlegen, und schon gar nicht von einer Partei rufen lassen. Dann wäre er nicht mehr unabhängig. Lust hätte er aber schon. "Ich habe mich in meinem Leben bisher immer nach dem Verstand entschieden, und nicht nach dem Gefühl", sagte Berghofer der SZ. "Dieses Mal könnte das anders sein."
(Markus Lesch)