Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 19.04.2005

Ende der Komparsenrolle

 
Leipzig. Und immer wieder klingelt das Handy. Daran erkennt man, dass es Wolfram Köhler gut geht. Dabei hat er gerade einen Job hingeschmissen, um den ihn viele Politikerkollegen beneiden und an den sich nicht wenige klammern. So jedenfalls die Lesart des 37-Jährigen, der gestern sein Landtagsmandat in der CDU-Fraktion zurückgab. Für ihn wird Christine Clauß, die Vorsitzende des Kreisverbandes Leipzig-Stadt nachrücken.

"Ich habe gehofft, in einer Art Aufsichtsrat zu sitzen und für den Erfolg des Freistaats streiten zu können. Statt dessen fühle ich mich wie auf einer Auswechselbank - allerdings mit dem Ziel, nicht eingewechselt zu werden", begründet Köhler in seinem Schreiben an Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU).

Er war "Mr. Riesa", war Ideengeber der Olympiabewerbung, war als Staatssekretär deren Chef in Dresden und wurde wegen vermeintlicher Provisionsmauscheleien mit seiner Frau aus dem Amt gedrängt. Kurzfristig stellte er sich zur Landtagswahl, wurde überzeugend gewählt, zog ins Parlament ein, schmeißt nach einigen Monaten alles hin und beteuert: "Woher hätte ich wissen sollen, wie das läuft." Mit "das" meint er das "Staatsschauspiel", in dem er nicht länger Komparse sein will.

Fraktionschef Fritz Hähle gestand ihm gestern zu: "Er hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht." Damit meint er vielleicht, dass sich Köhler in Abstimmungen mit Kompromissangeboten doch dazu bewegen ließ, für seine Fraktion zu stimmen. Bei dem von der FDP eingebrachten Antrag etwa, Waschstraßen und Videotheken sonntags zu öffnen. "Dafür habe ich als Oberbürgermeister gekämpft. Das ist für mich eine Gewissensentscheidung", erklärt der Riesaer. Doch das "Staatsschauspiel" sah eine andere Rolle für ihn vor, als Anträgen der politischen Gegner zuzustimmen, selbst wenn sie sinnvoll sind. "Hase-und-Igel-Spiel", nennt Köhler diese Prinzipienreiterei. Als er den Vorschlag einbringt, die Diäten zu halbieren, um damit statt vieler zu häufig auf die nächste Wahl schielender Abgeordneter wirkliche Fachleute ins Parlament zu locken, raunen ihm Fraktionskollegen zu, "du kannst dir das ja leisten, wir bekommen nie wieder Arbeit." Da merkte er: "Der Wille zur Veränderung wird zum Kampf gegen Besitzstände".

Köhler ist "ein bunter Vogel", wie Georg Milbradt (CDU) findet. Und "solche haben es schwer in der Politik", meint der Ministerpräsident noch und lässt Verständnis durchblicken. Der Gemeinte nimmt das Gesagte als Kompliment und fragt zurück: "Ist das so schlimm?" Er wolle von dem überzeugt sein, was er tue. Das konnte er im Landtag nicht. "Strategisch denken und schnell entscheiden", nennt er seine Vorzüge. Statt die einbringen zu können, war Sitzfleisch gefragt. Er habe insgesamt 15 Stunden lang über zwei tote Hunde nach einer Polizei-Razzia debattieren müssen. Für ihn tote Zeit. Genauso wie die Debatte über eine Eingabe gegen die Lärmbelästigung durch einen Bürgermeistergeburtstag. Weil die Ausschusskollegen einen Ortstermin wollten, benannte er den Petitionsausschuss in Speditionsausschuss um und beantragte die Offenlegung der Reisekosten. "Das wurde natürlich abgelehnt."

Köhler will seine Kritik nicht als Pauschalschelte am Parlamentarismus gemeint wissen. Er habe gelernt, dass die negative Meinung, die vielerorts über Abgeordnete verbreitet ist, falsch sei. Denn er habe "fleißige Mandatsträger" kennen gelernt. Allerdings frage er sich, ob die Rituale, denen diese täglich folgen, noch der Realität entsprechen, die sie gestalten sollen.

Für Köhler kommt Politik nur noch infrage, "wenn die Rahmenbedingungen so sind, dass ich etwas bewegen kann". Da sei bisher nichts im Busche, beteuert er. Bis ihm solch ein Amt angeboten wird, beschränkt er sich auf seine Arbeit für die Mittweidaer Medienakademie und als Eventmanager in Deutschland und seiner Zweitheimat USA.
Andreas Friedrich