Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 21.04.2005

CDU rudert zurück: „Gut gemeint“

Patriotismus. Kurz vor dem Parteitag distanziert sich die CDU von dem umstrittenem JU-Papier.
 
Dresden. Der Eklat kam spät. Aber er konnte wohl nicht ausbleiben. Ausgerechnet ein rechtsextremer Abgeordneter lockte gestern im Landtag CDU-Fraktionschef Fritz Hähle aus der Reserve. „Ich will ausdrücklich erklären, dass sich die CDU dieses Papier noch längst nicht zu Eigen gemacht hat“, wies Hähle „Unterstellungen“ zurück, die Partei teile inhaltlich den „Diskussionsentwurf“ der sächsischen Jungen Union (JU). Die hatte Anfang April mit ihrer „programmatischen Denkschrift „Ein Wert für sich: Deutschland“ und einem mehr als konservativen Nations-Verständnis (die SZ berichtete) am rechten Rand die falschen Geister geweckt. Die wieder einzufangen, fällt jetzt der Parteispitze ausgerechnet zwei Tage vor dem Sonderparteitag in Bad Düben schwer.

Es sei ein „legitimes Recht von jungen Leuten“, sich auch mal „Gedanken zu machen, was Patriotismus bedeutet“, wehrte sich Hähle. Und bekräftigte zugleich, dass sich die CDU „dieses Papier noch längst nicht zu Eigen gemacht hat“. Ob jeder Begriff darin glücklich gewählt sei, sei „durchaus noch offen“.

„Ich erwarte, dass die CDU sich von diesem Papier eindeutig distanziert“, forderte gestern auch Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau. Die darin enthaltene Definition der „nationalen Identität“ sei „völkisch-deutschnational“. „Das Abstammungsprinzip ist nicht das Bindende in diesem Land. Das ist nicht mehr sauber auf dem Boden des Grundgesetzes.“ Schweige die Union dazu, sieht sie gar deren Regierungsfähigkeit in Frage gestellt. Schwere Geschütze aus der Opposition, doch auch Koalitionspartner SPD hat mehr als Unbehagen mit der CDU-internen Werte-Debatte. „Ich erkenne darin die dumpfe Sprache der Stammtische“, bewertet SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss den „Denkanstoß“, wie ihn vor wenigen Tagen noch Jung-Generalsekretär Michael Kretschmer ausdrücklich gelobt hatte. „Wenn sich die Union nach Rechts bewegt, dann bleibt für uns wenigstens mehr Platz in der Mitte“, meint Weiss ganz pragmatisch sozialdemokratisch. Aber die Vorgehensweise der CDU sei „gefährlich und verantwortungslos“.

Doch wie über Patriotismus reden, ohne nach Rechts abzurutschen? Klare, gelassene Worte fand gestern Innenminister Thomas de Maizière. Für die CDU Deutschland arbeitet er – „ein klar sortierter Konservativer“, nennt ihn sogar Hermenau anerkennend – mit an einem Grundsatzpapier zur Patriotismus-Frage. „Gut gemeint“ sei das JU-Papier, wischt er es galant vom Tisch. Die NPD dürfe „kein Monopol für dieses Thema haben“. Die JU habe einen „zulässigen Versuch“ unternommen, sich dieser Frage zu nähern, so de Maizière. „Aber wir sollten vielmehr Patriotismus leben und nicht Papiere dazu verfassen“, rät er. Auch dem eigenen Partei-Nachwuchs.
Von Annette Binninger