Karl Nolle, MdL

DIE WELT, 11.05.2005

Erste Geständnisse in der Affäre um die SachsenLB

Ermittlungsakten liegen der WELT vor
 
Dresden - In der sogenannten Urkunden-Affäre bei der Landesbank Sachsen (SachsenLB) gibt es erste Geständnisse. Das geht aus Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Dresden hervor, die der WELT vorliegen. Deshalb droht ehemaligen Führungskräften des Leipziger Bankhauses nun eine förmliche Anklage. Sie stehen unter dem Verdacht des Prozeßbetruges, der Urkundenfälschung und uneidlicher Falschaussage.

Den Unterlagen zufolge räumte ein beurlaubter Mitarbeiter des Vorstandsstabes ein, er habe auf Druck seiner Vorgesetzten eine obligatorische Besitzanzeige rückdatiert. Mit der Manipulation sollte Einfluß auf einen Rechtsstreit um die Mitteldeutsche Leasing AG (MDL) genommen werden: Die Firma Immobilien-Leasing GmbH (IIL) aus Tutzing wirft der SachsenLB vor, der gemeinsamen Tochter schweren Schaden zugefügt zu haben. Eine Klage über 140 Mio. Euro ist anhängig.

Das Geständnis des Vorstandsmitarbeiters erfolgte erst, nachdem eine Hausjuristin der Bank von Staatsanwälten vernommen worden war. Sie gab zu Protokoll, die Manipulationsabsicht frühzeitig erkannt und dem Vorstandsmitarbeiter von der Fälschung abgeraten zu haben.

Zudem enthält das Konvolut der Ermittler einen Sonderprüfberichtung der Innenrevision ("Besitzanzeige der SachsenLB an der MDL AG"), der ebenfalls zahlreiche Ungereimtheiten benennt.

Am 25. Februar, fünf Tage nachdem die WELT den Vorgang aufgedeckt hatte, mußten Vorstandschef Michael Weiss und sein Kollege Michael Fuchs ihre Posten räumen. Der MDL-Chefin Andrea Braun, Lebensgefährtin von Weiss, ist zwischenzeitlich fristlos gekündigt worden. Von einem mit "krimineller Energie ausgestatteten Trio" spricht der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle.

Die Akten der Staatsanwaltschaft belasten nicht nur das Management, vielmehr legen sie ein Versagen der staatlichen Gremien nahe. Viel Stoff für den Untersuchungsausschuß, den der sächsische Landtag eingesetzt hat - er soll klären, warum die Politik trotz einer Fülle von Hinweisen auf rechtswidrige Handlungen in der Chefetage der Bank nicht früher eingeschritten ist.

Sogar ein Urteil des Oberlandesgerichtes Dresden, das die Manipulation bereits im Dezember als offenkundig bezeichnete, wurde ignoriert. Neben dem Verwaltungsratschef, Finanzminister Horst Metz, steht Ministerpräsident Georg Milbradt (beide CDU) in der Kritik. Bis zuletzt hatte sich der Premier demonstrativ hinter Weiss, Braun und Fuchs gestellt.

Schon im Dezember wurde Metz von Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf auf Ungereimtheiten hingewiesen - ohne erkennbare Konsequenz. Nach Aktenlage war dem Finanzminister mindestens zwei Tage vor der WELT-Enthüllung bekannt, daß von der Besitzanzeige verschiedene Versionen existierten - ein klares Indiz für eine mögliche Fälschung. Obwohl sich auf Nachfrage keine plausible Erklärung fand, blieb auch das ohne Folgen. Der Öffentlichkeit versicherte Metz, er habe von Vorstandschef Weiss eine Ehrenerklärung verlangt - doch dieser hat kein entsprechendes Dokument unterzeichnet.

Milbradt wiederum gab am 9. März eine Regierungserklärung zur SachsenLB ab, ohne zuvor die Unterlagen der Staatsanwaltschaft zu studieren. Er habe das Thema "strafrechtlich relevanter Vorgänge in der Landesbank" nicht aufgegriffen, ließ er zur Begründung mitteilen. Unmittelbar nach seinem Auftritt im Parlament beantragte die Landesregierung allerdings über die Dresdner Kanzlei White & Case die Akteneinsicht. Kein Zufall, finden Beobachter: "Herr Milbradt hatte wohl kein Interesse daran, vor seiner Erklärung mit belastenden Fakten konfrontiert zu werden."

Die beiden Vorstände Weiss und Fuchs erhalten unverändert ihre Bezüge. Darauf haben sich die Gremien am 12. April verständigt. SPD-Parlamentarier Nolle fordert ihre fristlose Kündigung: "Das ist nicht nur eine Frage der rechtlichen Beurteilung, sondern auch eine der politischen Moral."
von Uwe Müller