Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 12.05.2005

Die Abrechnung: Mit Biedenkopfs Attacke wird Milbradts Lage noch unbequemer

Leitartikel von Hubert Kemper
 
Das Fest zu seinem 75. feierte Kurt Biedenkopf im Januar ohne seinen Nachfolger Georg Milbradt. Man weiß, dass der Groll auf den Mann, den Biedenkopf nicht für seinen würdigen Erben hält, nur von der Parteiräson unter Kontrolle gehalten wird. Milbradts Teilnahme wäre zudem für die immer noch gekränkte Biedenkopf-Ehefrau Ingrid nicht vorstellbar gewesen.

Kurze Zeit später beging Milbradt seinen 60. Geburtstag. Diesmal war Biedenkopf nicht zu Gast. Am Fehlen einer Einladung lag die Abwesenheit nicht. Die Gründe für sein Fernbleiben teilte Biedenkopf seinem langjährigen Finanzminister in einem Brief mit. Sie spiegeln tiefe Betroffenheit und verletzte Ehre wieder. Wenn es um die Verteidigung seiner Frau und seiner Familie geht, verlässt Altmeister Biedenkopf die Defensive. Hart reagiert er auf Gerüchte, mitdenen seinem Schwiegersohn Andreas Waldow ein schlimmer Verdacht angehängt werden sollte.

Ungewöhnlich ist es nicht, dass zwei langjährige politische Weggefährten kontroverse Meinungen per Briefwechsel austauschen. Denn öffentlich ausgetragen, könnten sie enorme Sprengkraft entfalten. Sollte Biedenkopf dies zugelassen oder gar provoziert haben wollen, so wäre das sicher nicht allein seinem starken Beschützerinstinkt zuzurechnen. Denn in der Affäre um die Sachsen-LB nimmt der Ex-Ministerpräsident keine neutrale Position ein. Mit dem Unternehmer Ludwig Hausbacher ist er eng verbunden. Das scheint ihm den Blick für überfällige Aufräumarbeiten in der Bank aber nicht getrübt zu haben. Mehrfach hatte Biedenkopf seinen Nachfolger Milbradt gebeten, den Klagen über personelle Missstände in der Landesbank und ihrer Tochtergesellschaft Mitteldeutsche Leasing nachzugehen. Der Ministerpräsident hörte zwar zu, handelte aber nicht.

Öffentliche Kritik an Milbradt, den er einst als einen exzellenten Finanzfachmann, aber miserablen Politiker abqualifiziert hatte, verkniff sich Biedenkopf bisher. Umso mehr Bedeutung gewinnt der jetzt öffentlich gewordene Brief.

Verprellt hat Milbradt mit seiner halsstarrigen Offensivverteidigung der gescheiterten Bankmanager nahezu alle: Seinen Finanzminister, die eigene CDU-Fraktion, kompromissbereite Politiker in der PDS-Opposition und natürlich auch seinen Vorgänger Biedenkopf.

Mit Weitsicht und Entgegenkommen hätte Milbradt den Untersuchungsausschuss verhindern können, der in Kürze die Bank-Affäre beleuchten wird. Als Zeuge wird dort auch Biedenkopf auftreten. Erinnerungslücken, wie sonst bei solchen Anlässen üblich, dürften ihn sicher nicht plagen.