Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 13.05.2005

Biedenkopf-Attacke erschüttert die CDU

Der Respekt vor dem „Übervater“ ist aber fast größer als der Ärger über den neuen Personalstreit.
 
Es war ein Brief, der Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) gleich doppelt teuer zu stehen kam: Zunächst musste er Porto nachzahlen, weil Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) das brisante Schriftstück vom März 2005 nur unzureichend frankiert hatte. Und jetzt hat es eine Diskussion ausgelöst, die Milbradts Stellung als Regierungschef und CDU-Landesvorsitzender zu erschüttern droht.

Biedenkopfs in die Öffentlichkeit lancierter Vorwurf, sein Amtsnachfolger habe bei der Aufsicht über die skandalumwitterte Landesbank und damit auch als Chef am Kabinettstisch versagt, wiegt schwer. Er zwingt die sächsische Union erneut zu jener schmerzhaften Personaldiskussion, die man vor kurzem mit dem Sonderparteitag in Bad Düben vorerst abgeschlossen glaubte.

Entsetzt, aber auch mit „großer Traurigkeit“ reagierte Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU). Es sei ein „schwerer Schaden“ entstanden. „Ich frage mich, warum sich beide Herren nicht einfach mal treffen und die Sache dann unter vier Augen austragen.“ Kritik kommt auch von CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer („Kein Verständnis für Nachtreten.“) und Minister Hermann Winkler („Wenig hilfreich.“)

„Gemurmel-Politik“

Doch die offizielle Schelte für Biedenkopf hält sich auffällig in Grenzen. Zu groß ist immer noch der Respekt vor dem einstigen „Übervater“, dem mancher Christdemokrat deshalb weiterhin nur im Stillen zürnt. „In der Sachsen-CDU, wo traditionell immer nur eine Gemurmel- und Gemecker-Politik betrieben wird, ist ein solcher Brief ein Brandsatz“, heißt es vorwurfsvoll. Auch, weil man ahnt, dass Biedenkopf bei seinem Vorstoß eigene Interessen vertritt. So drohen Schwiegersohn Andreas Waldow und dessen Arbeitgeber durch einen Rechtsstreit mit der Landesbank künftig immerhin enorme finanzielle Verluste. „Es ist skrupellos, wie Biedenkopf hier private und politische Dinge miteinander vermischt“, heißt es vorwurfsvoll.

Als „verheerend“ bezeichnet Ex-Wissenschaftsminister Hans-Joachim Meyer (CDU) aus dem fernen Berlin den Streit. „Das ist das Allerletzte, was Sachsens CDU derzeit gebrauchen kann.“ Und auch über mögliche Folgen wird eifrig spekuliert. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, er kenne den Brief nur aus der Presse. „Trotz meiner Achtung vor dem alten Ministerpräsidenten finde ich ihn nicht angemessen.“ Was die Kritik Biedenkopfs künftig für Milbradt bedeutet? „Ich hoffe nichts.“

Während Milbradt selbst „menschlich tief enttäuscht“ ist, weist sein Finanzminister Horst Metz die Vorwürfe per Pressemitteilung zurück. Tenor: Die Landesbank sei wirtschaftlich gesund und alle Vorwürfe unbegründet. CDU-Fraktionschef Fritz Hähle assistiert und rettet sich ebenfalls in unverbindliches Lob der Bank. Sogar die von Milbradt gefeuerten Minister Matthias Rößler und Martin Gillo warnen vor voreiligen Schlüssen. „Ich gehe davon aus, dass Milbradt in der nächsten Fraktionssitzung zu der Sache Stellung nehmen wird“, gibt Gillo vielmehr die erwartete Richtung vor.

Erfreut über die Biedenkopf-Attacke zeigt sich dagegen die PDS. Sie will den Ex-Regierungschef so schnell wie möglich als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB sehen. Und der, so ist zu hören, möchte dort eifrig reden. Vor allem über Milbradt. Dessen Lager drehte den Spieß deshalb gestern vorsichtshalber schon einmal um. Man gehe davon aus, so Metz drohend, dass Biedenkopf dann „auch zu seiner Rolle und die eines Familienmitglieds“ Stellung nehme.
Von Gunnar Saft, Annette Binninger und Karin Schlottmann