Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 14.05.2005
Sachsen-CDU droht neue Schlammschlacht
Alt-Ministerpräsident Biedenkopf hatte seinen Nachfolger wegen der Landesbank Sachsen LB scharf kritisiert und ihm indirekt den Rücktritt nahe gelegt
Dresden. Am Tag nach dem Brand, den Kurt Biedenkopf mit seinem Brief an Regierungschef Georg Milbradt ausgelöst hatte, sind die Sorgen in der CDU groß. War das nur ein Strohfeuer, oder weiten sich die Flammen zu einem Flächenbrand aus? Hört das überhaupt wieder auf, oder beginnt da ein unheilvoller Kleinkrieg der sächsischen CDU-Granden, der nur im Fall von Milbradt enden kann?
Alt-Ministerpräsident Biedenkopf hatte seinen Nachfolger wegen der Landesbank Sachsen LB scharf kritisiert und ihm indirekt den Rücktritt nahe gelegt - ein einmaliger Vorgang in der bundesdeutschen Politik. Dem Land sei ein erheblicher Schaden entstanden, schrieb Biedenkopf, der Ruf der Bank könne heute nicht schlechter sein. "Dafür, Georg, trägst Du die Verantwortung."
Politische Beobachter fühlen sich bereits an das Ende der Biedenkopf-Zeit erinnert, als "König Kurt" wegen seiner großzügigen Dienstwohnung und Ikea-Rabatten immer mehr unter Beschuss geriet. "Wenn Milbradt wirklich etwas zu vertuschen hatte, droht eine gefährliche Schlammschlacht wie damals", sagt ein Politikexperte. "Bikos" Brandbrief trage zu der bereits gestarteten Demontage Milbradts bei.
In der Tat fehlt es Milbradt bis heute an Rückhalt in der Partei und der CDU-SPD-Koalition. Auch die CDU-Regionalkonferenzen, die als Ventil für den Frust nach dem Wahldebakel vom September dienen sollten, konnten die Stimmung nicht zu Milbradts Gunsten korrigieren. "Operettenhaft" sei die Inszenierung gewesen, heißt es. Biedenkopfs Anwürfe gießen nun Wasser auf die Mühlen derer, die den Regierungschef ohnehin nicht für die richtige Leitfigur für die Zeit nach der Bundestagswahl halten. Wenn zwei Christdemokraten zusammenstehen, wird immer auch über Milbradts Zukunft getuschelt, erzählt einer, der dabei ist. Die wenigsten würden noch voll hinter ihm stehen.
Doch für potenzielle Kronprinzen wie die Minister Steffen Flath und Thomas de Maizière ist es noch zu früh. Viele treibt indes die Frage um, wie Biedenkopfs vertraulicher Brief überhaupt an die Presse gelangte. Dabei gehen einige davon aus, dass das Schreiben aus dessen Umfeld selbst über Mittelsleute an die Medien lanciert wurde. Biedenkopf, sagen alte Weggefährten, habe so etwas früher schon gemacht, wie mit seinem Widersacher Altkanzler Kohl. Tatsächlich erweckt der vierseitige Brief den Eindruck, als sei er für ein größeres Publikum geschrieben.
Warum aber taucht das Schreiben zwei Monate nach dem Verfassen auf?, fragen sich Parteifreunde. Erklärungen gibt es viele: Die Schadenersatzklage einer Partnerfirma, in der Biedenkopfs Schwiegersohn arbeitet, komme jetzt in die heiße Phase. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen der Fälschung eines Aktiendokumentes seien nun soweit, diverse Vorwürfe zu untermauern. Die CDU solle neu angestachelt werden. Und: Milbradt habe den Brief nach zwei Monaten immer noch nicht beantwortet. Das lasse sich "der König" eben nicht gefallen.
Sven Heitkamp