Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 20.05.2005

ANALYSE: Beim Schulthema steckt SPD in der Zwickmühle Rolle als Koalitionspartner noch immer fremd

Erste Krisenszenarien für Auflösung der Zwangsehe
 
Dresden. Die Provokation war gezielt und zeigte Wirkung: In der Regierungspolitik der Koalition, meinte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Martin Dulig, gerate die Lernqualität an Sachsens Schulen "zu oft" aus dem Blick. Das müsse sich ändern, vor allem bei der Schulnetzplanung. Konkrete Folge: Es müssten weniger Schulen geschlossen werden, als von Kultusminister Steffen Flath (CDU) geplant. Seitdem hängt der Haussegen zwischen den Koalitionspartnern CDU und SPD schief, die Lage droht zu eskalieren. Am Rande des Landtagsplenums gestern kursierten erste Krisenszenarien über ein vorzeitiges Ende der Zwangsehe.

Dabei ist Entspannung nicht in Sicht. Genervt von Streiks und Dauer-Demos, vom Druck aus Gewerkschaften und den eigenen Kreisverbänden ringt die SPD um ihr Profil im Bündnis. "Die SPD ist der Schwachpunkt der Koalition", sagt FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. "Ich kenne keine Partei, die ihre Wahlaussagen für Posten und Pöstchen so schnell vergessen hat." "Die SPD opponiert gegen sich selbst", meint PDS-Pendant Peter Porsch. Erst vor kurzem habe sie den Landeshaushalt mitbeschlossen, "dessen Auswirkungen sie nun ungeschehen machen möchte".

Genau deshalb ist Georg Milbradt (CDU) von Einlenken weit entfernt. Gestern wiederholte der Regierungschef, was seit langem feststeht: Die Schülerzahlen in Sachsen sinken dramatisch; wolle sich das Land nicht finanziell ruinieren, müsse auch in der Bildung gestrichen werden. Fazit: Milbradt bleibt knallhart bei seiner Linie - keine Ausnahmen, auch nicht für die SPD im Schulbereich, zur Not müsse selbst Lehrern gekündigt werden.

Das macht die Lage für die SPD nicht komfortabler. Seit Wochen laboriert sie an einem einfachen Problem: Nach 14 Jahren Opposition war sie auf die Regierungsbeteiligung nicht vorbereitet. Beispiel Fraktion: Nahezu alle Mitarbeiter von Gewicht sind in die beiden SPD-Ministerien umgezogen, fehlen im Landtag. Beispiel Landesverband: SPD-Chef Thomas Jurk hat als neuer Wirtschaftminister kaum Zeit, sich um die Parteizentrale zu kümmern. Die Stellvertreter, Barbara Wittig und Rolf Schwanitz, spielen landespolitisch kaum eine Rolle. Die Geschäftsstelle ist profillos, kann den Attacken von der Opposition, aber auch von CDU-General Michael Kretschmer nichts entgegen setzen. Entsprechend mehren sich Stimmen in der SPD, die nach einem Generalsekretär rufen.

Diese Rolle übernimmt derzeit Karl Nolle. Immer wieder hat er Milbradt in der Landesbank-Affäre attackiert, aber auch im Landtag nimmt er kein Blatt vor den Mund. Entsprechend angenervt reagiert die CDU auf Nolle. Einige in der SPD, hatte Kretschmer nicht zufällig gesagt, spielten "weiter Opposition". Damit sind die Fronten verhärtet. Letztlich gibt es nur eine Alternative: Entweder die SPD lenkt ein oder die Koalition zerbricht. An letzterem aber dürfte kaum ein Sozialdemokrat ernsthaft Interesse haben. Jürgen Kochinke