Karl Nolle, MdL
Kölner Stadtanzeiger, 14.05.2005
Biedenkopfs persönlicher Rachefeldzug
Ein veröffentlichter Brief soll den ungeliebten Milbradt brüskieren.
Dresden - Wenigstens der Anfang klingt noch freundlich. "Lieber Georg", beginnt Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf einen Brief vom 4. März an seinen Nachfolger Milbradt. Dann legt er los: "In der letzten Woche hat die Staatskanzlei aus Anlass deines Geburtstages zu einem Empfang eingeladen. Normal wäre es, dass dein Vorgänger im Amt der Einladung folgt und dir zum 60. gratuliert. Du sollst deshalb erfahren, warum ich nicht gekommen bin." Dann folgen drei weitere Seiten, auf denen Biedenkopf, der von 1990 bis 2002 in Sachsen regierte, kein gutes Haar an Milbradt lässt. Darin geht es vornehmlich um die Sachsen LB, Ostdeutschlands einzige Landesbank, die in den vergangenen Monaten eine Menge Skandale erlebt hat. Es ging um Vetternwirtschaft, eine 140-Millionen-Euro-Schadenersatzklage, gefälschte Akten und zu große Dienstwagen.
Zwischen Biedenkopf und Milbradt köchelte das Bankenthema immer wieder hoch, auch weil Thomas Waldow, ein Schwiegersohn Biedenkopfs, Pressesprecher einer der in den Streit verwickelten Firmen ist. Die Landesbank, "auf die wir stolz waren, ist Not leidend", schreibt Biedenkopf und fordert Milbradt indirekt auf, den Hut zu nehmen. "Georg, du trägst die politische Verantwortung. Ich erwarte von dir als meinem Nachfolger, dass du zu dieser Verantwortung auch öffentlich stehst."
Der Brief wurde einigen Zeitungen zugespielt, ganz offensichtlich in der Absicht, Milbradt, der bei der letzten Landtagswahl 2004 um 16 Prozent abstürzte, noch weiter zu demontieren. Biedenkopf und Milbradt, einst ein Dreamteam, das der sächsischen CDU absolute Mehrheiten sicherte, können sich nicht ausstehen. Milbradt hat nie verwunden, dass Biedenkopf ihn 2001 als Finanzminister rauswarf und als "hervorragenden Fachmann, aber miserablen Politiker" abmeierte. Als Milbradt dann CDU-Chef wurde und den mittlerweile völlig abgehoben dahinregierenden Biedenkopf mit Hilfe der enttäuschten Union vom Thron kippte, zürnte "König Kurt". Seitdem schwelt der Streit - notdürftig kaschiert.
Milbradt, den manche in seiner enttäuschten Partei schon als "Georg, den Glanzlosen" titulieren, sagte nach Veröffentlichung des Briefes, er sei "menschlich tief enttäuscht". Biedenkopf sagte gar nichts. Er war in China. Für die Union ist der offen ausgetragene Streit reines Gift. Und genau das wolle Biedenkopf auch, meint ein CDU-Mann: "Verbrannte Erde."
von Bernhard Honnigfort