Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 15.06.2005
Rückfahrticket und saftige Gehaltserhöhung
Sachsen-LB-Affäre: Neue Vorwürfe der Selbstbedienung - Ausschuss lädt erste Zeugen - SPD gegen Kapitalspritze
Mit möglichen Versäumnissen der Staatsregierung bei der Aufsicht über die Landesbank Sachsen beschäftigt sich seit gestern ein Untersuchungsausschuss des Landtages. Gegen die Bank und seine frühere Führung waren Vorwürfe wegen verlustreicher Geschäfte, der Dokumentenfälschung und der Vetternwirtschaft laut geworden. Ein weiterer Fall möglicher Vetternwirtschaft ist jetzt bekannt geworden.
Dresden/Leipzig. Für SPD-Chefaufklärer Karl Nolle sind sie das „Trio Infernale". Selbstbedienung, Untreue und Mätressenwirtschaft wirft er den früheren Sachsen-LBVorständen Michael Weiss, Rainer Fuchs sowie Andrea Braun, Ex-Chefin des Tochterunternehmens Mitteldeutsche Leasing AG (MDL) vor. Pikant ist eine jetzt bekannt gewordene Vereinbarung- Sie sichert Andrea Braun eine Rückkehr zur Sachsen-LB zu, sollte ihr Vertrag mit der MDL innerhalb von fünf Jahren enden. Mit dieser Rückfahrkarte in der Tasche, hat Andrea Braun auch beim Arbeitsgericht in Leipzig gegen ihre fristlose Kündigung bei der MDL und auf Wiedereinstellung bei der Sachsen-LB geklagt.
„Ich bin gespannt, in welcher Form das Finanzministerium als Rechtsaufsicht in diesen zwielichtigen Deal eingeweiht war", fragt Nolle und denkt ebenso an die rasanten Gehaltssteigerungen von Andrea Braun, seit sie zum i. Januar 2003 als Alleinvorstand von der Sachsen• LB zur MDL wechselte. Gerade einmal sechs Monate im neuen Amt, wurde das Jahresgehalt von 157.000 Euro auf 200.000 Euro angehoben.
Hinzu kam eine garanierte Sondervergütung von 30.000 Euro pro Jahr. Außerdem stellte die MDL ein Dienstfahrzeug bis zu einer maximalen Leasingrate von 1050 Euro pro Monat. Laut schriftlichem Vermerk von Rainer Fuchs habe der Aufsichtsrat der MDL am 26. Mai 2003 die Gehaltserhöhung beschlossen. „Nach meinen Informationen wurde dies laut Protokoll an diesem Tag aber gar nicht beschlossen. Der Ruf der Landesbank kann nicht schlechter sein. Wie lange soll noch gezögert werden", so Nolle. Scharfe Kritik an der Geschäftspolitik der MDL äußert auch Aufsichtsratsmitglied Jürgen Geißinger. In einem Brief an Sachsen-LB-Vorstand HansJürgen Klumpp klagt er, Braun habe eigenmächtig den Vertrieb der MDL eingestellt. Der neu eingesetzte Vorstand setze die seiner Meinung nach rechtswidrige Liquidation und Abwicklung der Gesellschaft fort und überschreite seine Kompetenzen.
Geißinger, Klumpp und MDL Mitgesellschafter Ludwig Hausbacher werden voraussichtlich am 11.. Juli als erste Zeugen im Untersuchungsausschuss des Landtages vernommen. Das ist ein Ergebnis der gestrigen konstituierenden Sitzung. Weitere Beweisanträge sollen am Montag beschlossen werden.
Ebenfalls am Montag tagt die Anteilseignerversammlung der Sachsen-LB in Leipzig. Die Sitzung kann für die wirtschaftliche Zukunft der Landesbank eine Weichenstellung bringen. Eine Kapitalerhöhung um 300 Millionen Euro zeichnet sich immer deutlicher ab. 140 Millionen Eure, die für den abgesagten Erwerb des Paunsdorf-Centers zur Verfügung stehen, könnten für die Finanzspritze eingesetzt werden, schließt Regierungssprecher Thomas Raabe nicht aus. Koalitionspartner SPD steht den Plänen von Ministerpräsident Georg Milbradt bisher ablehnend gegenüber.
Von Udo Lindner und Hubert Kemper