Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 22.06.2005

Minister Jurk als SPD-Chef in der Kritik

Den Sozialdemokraten droht erstmals seit der Wahl ein Richtungsstreit.
 
Es war kein angenehmes Geschenk, das Sachsens Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Thomas Jurk zu seinem 43. Geburtstag am vergangenen Sonntag ins Haus flatterte.

Erstmals, seitdem sich die Sozialdemokraten als Juniorpartner der CDU an der Regierung beteiligen, meldete sich die eigene Basis mit heftiger Kritik zu Wort. Und die traf Jurk, der seit Juli 2004 auch SPD-Landeschef ist, mit voller Wucht.

Missmut statt Mitbestimmung

„Lieber Thomas“, so beginnt ein mehrseitiger Brandbrief des Pirnaer Unterbezirkschefs Rainer Maus, mit dem dieser alle SPD-Ämter zur Verfügung stellt. Die Vorwürfe sind darin genau so hart wie umfangreich. Seit seinem Amtsantritt habe es Jurk versäumt, die inhaltliche Arbeit der Partei zu koordinieren. Die wäre deshalb zum Erliegen gekommen und die Rolle der SPD als Regierungspartner sei weiterhin völlig unklar. Der Landesverband, so der Vorwurf zwischen den Zeilen, trudelt führungslos voran, während ein elitärer Führungszirkel einsame Entscheidungen trifft.

Beklagt wird auch, dass bewährte Genossen bereits bei den Koalitionsverhandlungen außen vor blieben und die innerparteiliche Solidarität inzwischen auf einen Tiefpunkt gesunken ist. Das düstere Fazit des Ex-UB-Chefs Rainer Maus: „Die SPD findet nicht mehr statt.“

Das Problem: Nicht wenige Genossen denken ähnlich, auch wenn keiner seine Bedenken so offen anmeldet. Nach acht Monaten Koalition ist die Stimmung aber gereizt. Die Angst, als Regierungspartner dauerhaft bittere Pillen schlucken zu müssen und dabei in der Öffentlichkeit nur als willfähriger Erfüllungsgehilfe der CDU wahr genommen zu werden, ist einfach zu groß. Und die Hauptverantwortung dafür schiebt man dem Parteichef im Ministeramt, Thomas Jurk, zu.

Zumindest der SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss reagierte gestern schnell und gab Jurk demonstrativ erst einmal Schützenhilfe: Dieser leiste eine „ ganz hervorragende Arbeit“. Doch auch Weiss musste einräumen, dass es in der Partei „Diskussionsbedarf über grundlegende Werte und Ziele“ gibt. Darauf werde man aber rechtzeitig reagieren, versprach er.

Karrierestreben als Vorwurf

Inzwischen richtet sich die Kritik der SPD-Basis aber bereits auch gegen Teile der Landtagsfraktion und dort nach dem jüngsten Schulstreit vor allem gegen den Bildungspolitiker Martin Dulig. Der 31-Jährige sei eine „peinliche Person für die SPD“, die nur auf Karriere aus wäre und sich in dem „Witzblatt“ – gemeint ist die regelmäßige Fraktionbroschüre – über Gebühr feiern lasse. Dass es dann ausgerechnet Dulig war, der kürzlich öffentlich einräumte, die SPD sei einst im Wahlkampf bewusst mit falschen und populistischen Forderungen zum Thema Schule aufgetreten, stößt vielen zusätzlich sauer auf.

Jurk selbst nannte den Brief, der in Kopie an den SPD-Bundesvorsitzenden Franz Müntefering ging, ärgerlich und in der Sache ungeeignet. „Ohne die SPD in der Regierung gäbe es längst Studiengebühren und zudem geringere Hilfen für den Mittelstand.“ Auch sonst sei die Kritik verfehlt. Die SPD-Minister wären gleichberechtigte Partner im Kabinett, und die Partei würde mit wenigen Leuten „Übermenschliches“ leisten. Schön wäre es gewesen, so giftet er zurück, wenn Maus als UB-Chef früher dafür häufiger zur Verfügung gestanden hätte.
Von Gunnar Saft