Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 27.06.2005
Ein Hauch von Konspiration
Chemnitz. Die Stimmung ist stickig im Kulturhaus in Grüna. Auf der Theke stehen Kunstpalmen, die Gardinen sind beige-braun vergilbt. Dort, wo sonst Schlachtfeste und Kinderpartys stattfinden, haben sich die Rechtsextremisten von der sächsischen NPD versammelt.
Es ist der erste Landesparteitag, zu dem auch ein wenig Öffentlichkeit zugelassen ist, und auf dem Programm zwischen Schweinebraten, Bierkrug und Wasser steht die Einstimmung auf den Bundestagswahlkampf - und die Inszenierung von Normalität.
Die aber gelingt der NPD nur mühsam, ein Hauch Konspiration bleibt. Bis in den frühen Samstagmorgen hinein ist der Veranstaltungsort am Rande von Chemnitz unbekannt, aus "Sicherheitsgründen", wie es heißt. Dennoch stehen zwei Dutzend Gegendemonstranten draußen vor dem Kulturhaus. Auf den Transparenten finden sich Parolen wie "Nazis raus", und rundherum patrouillieren Streifenwagen der Polizei.
Gegen Mittag ist es dann soweit. Die Blaskapelle stimmt ein zum Marsch samt Fahneneinzug. Vorne laufen junge NPD-Frauen, dahinter das bekannte Personal: Landeschef Winfried Petzold, Fraktionschef Holger Apfel und nicht zuletzt Bundeschef Udo Voigt. Nur einer fehlt im rechtsextremen Aufmarsch: DVU-Chef Gerhard Frey hat sich verspätet, vermasselt der NPD vorerst die Demonstration dessen, was sie "Deutschland-Pakt" nennt - die Vereinigung der Parteien ganz rechts außen mit dem Ziel, in den "Reichstag" einzuziehen.
Dafür allerdings sind die Chancen gering. Nicht nur die Wahlniederlagen in Schleswig-Holstein (1,9 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (0,9 Prozent) haben den rechtsextremen Blütenträumen einen Dämpfer verpasst, auch das neue Linksbündnis hat Spuren bei der NPD-Spitze hinterlassen. Hier versucht Voigt in Chemnitz, in die Offensive zu gehen. Erstmals räumt er öffentlich ein, dass die Partei "freie Kameraden" sowie andere NPD-Mitglieder zwecks Unterwanderung in die linke WASG geschickt habe. "Es ist eine Tatsache, dass wir Leute platziert haben", sagt Voigt und lächelt. Schließlich wolle er wissen, "was da gegen uns geplant wird".
Das ist erklärungsbedürftig. Denn allgemein gilt: Wer unterwandern will, kündigt das nicht an, und zwischen den Zeilen deutet selbst Voigt an, was ihn treibt. "Lafontaine spricht im Nazi-Jargon von Fremdarbeitern", meint er, dahinter aber steht erkennbar die Furcht der NPD-Spitze, die Protestwähler an das neue Linksbündnis zu verlieren.
Dann kommt Frey, eineinhalb Stunden zu spät, aber auch begleitet von Pauken und Trompeten. Dabei ist der DVU-Mann keineswegs unumstritten in NPD-Kreisen, gilt zuweilen als etabliert. In Chemnitz offenbart er sich als Verfassungspatriot. "Ich bin ein Anhänger des Grundgesetzes", sagt Frey. Ja, mehr noch: Vehement plädiert er dafür, dass das rechtsextreme Bündnis nicht von "Narren oder Agenten mit Nazismus oder Neonazismus" ruiniert werden dürfe - eine kaum mehr verhohlene Abgrenzung gegen ganz rechts außen bis hin zu Voigt selbst. Der hatte Hitler schon mal als "großen Staatsmann" bezeichnet.
Das dürfte noch für Debatten in der NPD sorgen. In Chemnitz aber spielt es keine Rolle, nach Aussage von Teilnehmern auch dann nicht, als die Öffentlichkeit am Nachmittag wieder ausgeschlossen wird. Schließlich muss eifrig gewählt werden. Am Ende steht die Landesliste für die Bundestagswahl. Platz 1 geht an Apfel, es folgen Harald Neubauer und Petzold. Neubauer ist parteilos, war aber früher bei den rechtsextremen Republikanern, die sich dem "Deutschland-Pakt" von NPD und DVU verweigern. Pointe: Er ist Herausgeber der Zeitschrift "Nation und Europa", und die stammt aus Coburg in Bayern.
Jürgen Kochinke