Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 11.07.2005

Sachsen-SPD vertagt interne Reformdebatte

Landeschef Thomas Jurk schwört Genossen lieber auf den Wahlkampf ein.
 
Die Kritik war deutlich, doch sie passte letztlich nicht ins Konzept. Auf dem ersten Parteitag, den die sächsische SPD nach ihrem Eintritt in die Regierungskoalition mit der CDU am Wochenende im Chemnitzer Industriemuseum abhielt, war es dem sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Karl Nolle vorbehalten, Tacheles zu reden.

Nolle nahm dabei zunächst die eigene Bundespartei in die Pflicht. Viele Kurskorrekturen wie aktuelle Forderungen nach Mindestlöhnen oder einer Reichensteuer, mit denen nun im Bundestagswahlkampf gepunktet werden soll, kämen schlichtweg zu spät. Die SPD müsse erkennen, dass sie lange Zeit ihrer Rolle als Anwalt des kleinen Mannes nicht gerecht geworden ist. Nur wenn man wieder eine Politik für Arbeitsplätze und nicht gegen die Arbeitslosen mache, lasse sich der anhaltende Vertrauensverlust stoppen. Eine heftige Watsche in Richtung des Kanzlers.

Bundesminister erneut vorn

Doch Nolle teilte mit feiner Klinge auch in Richtung Sachsen aus. Hierzulande müsse man aufpassen, dass man die Koalition mit der CDU nicht als „Liebesverhältnis“ interpretiere, da es nur ein reines Zweckbündnis sein kann. Nolle sprach damit aus, was sich andere Genossen auf den Gängen nur zuflüsterten: SPD-Chef Thomas Jurk, der als Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister einer eisernen Kabinettsdisziplin unterliegt, müsse aufpassen, dass dabei das Profil der SPD nicht zu stark leide.

Diesem Thema war Jurk, der vor Nolle am Pult stand, nicht ausgewichen. Doch er verwies lieber auf die Chancen der Koalition, die es der SPD erstmals gestatte, eigene Politik umzusetzen. Studiengebühren seien dadurch ebenso verhindert worden wie manche Schulschließung. Störfeuer von „einzelnen Kritikern“, die Jurk nicht beim Namen nannte, sei dabei für alle hinderlich. Zudem verwies er auf das magere Abschneiden bei der Landtagswahl, das dazu führe, dass man als Regierungspartner auch schmerzliche Dinge mittragen müsse. Umso eindringlicher schwor Jurk seine Genossen auf Einigkeit und die Bundestagswahl ein. Nur bei einem Punkt musste er einknicken. Nach der Wahl soll es nun doch einen Generalsekretär bzw. einen „politischen Geschäftsführer“ geben.

Danach verlief bei der Kür der Bundestagskandidaten fast alles nach Plan. Wie 2002 wird man mit Rolf Schwanitz, Minister im Bundeskanzleramt und dort für den Aufbau Ost zuständig, als Spitzenkandidaten in den Wahlkampf ziehen. Der 46-Jährige setzte sich mit 45 von 60 möglichen Stimmen genauso souverän durch wie die auf Listenplatz zwei gewählte Marlies Volkmer. Die Dresdner Bundestagsabgeordnete kam auf 46 Stimmen. Nur die Entscheidung um den dritten Platz legte dann einen internen Zwist offen. So sah sich der gesetzte Bundestagsabgeordnete Gunter Weißgerber aus Leipzig von seinem Kollegen in der SPD-Bundestagsfraktion, dem Zwickauer Andreas Weigel, zur Kampfabstimmung herausgefordert, die Weigel klar mit 37 zu 22 Stimmen gewann. Weißgerber, der bisher den Ruf des einflussreichen Strippenziehers genoss, trat später nicht mehr an und will nun sein Glück mit einer Direktkandidatur in einem Leipziger Wahlkreis suchen. www.spd-sachsen.de
Von Gunnar Saft