Karl Nolle, MdL

11.07.2005

Die Sachsen-SPD will die Ärmel hochkrempeln

Rolf Schwanitz zum Spitzenkandidaten für mögliche Bundestagswahl gekürt - Zwickauer Andreas Weigel gelingt Sprung nach vorne
 
Chemnitz. Es soll ein Symbol sein, ungeachtet der Kühle draußen und drinnen im Industriemuseum Chemnitz am Samstag: Jackett aus und die weißen Hemdsärmel hochgekrempelt. Aufbruch und Kampfeswillen möchte Rolf Schwanitz signalisieren, noch bevor drei Viertel der 6o Delegierten der sächsischen SPD den Plauener an die Spitze für eine mögliche Bundestagswahl im September setzen. Schwer, ganz schwer werde es, weiß jeder im Saal, den Wähler von sozialdemokratischer Politik samt Agenda 2010 zu überzeugen. Die Umfrageergebnisse sprechen zurzeit gegen sie, wie 2002 wieder über 33 Prozent der Stimmen im Freistaat zu erreichen.

Und so versuchen sich die Delegierten, gegen den Trend Mut zu machen. Ein bisschen trotziger als sonst vielleicht. „Lasst uns die Reihen schließen und die anderen die Hölle heiß machen", sagt Schwanitz. Das Rennen sei noch offen, die SPD hätte zwischen CDU einerseits und Linkspartei andererseits „gute Argumente«. Ähnliches ist von Parteichef Thomas Jurk zu hören. „Wir wollen nicht abgestraft werden", sagt er und fordert seine Wahlkämpfer auf, sich der Bilanz der sieben rot-grünen Regierungsjahre zu stellen. Die Agenda 2010 der Bundesregierung habe „holprig" begonnen, doch letztlich werde sie zum Erfolg führen. An der Regierung bleiben, so viele Prozente und Mandate wie möglich nach Sachsen holen - das sind Jurks Wahlziele.

Doch aus dem Dilemma, auf Bundesebene gegen die CDU zu polemisieren, mit der man auf Landesebene zusammen in der Regierung sitzt, kommt die Sachsen-SPD an diesem Tag nicht wirklich raus. Auch dem Motto von Jurk und Schwanitz - „Strich drunter und Blick nach vorn" - folgen nicht alle Delegierten. Sie, die in den nächsten Wochen dem Wähler die Hartz-IV Reformen erklären sollen, wollen die Diskussion darüber nicht einfach beenden.

Kräftigen Applaus erntet einer ihrer größten Kritiker Karl Nolle: „Wir müssen umkehren und wieder die Schutzmacht der kleinen Leute werden." Und die Dresdnerin Marlies Volkmer mahnt mehr Glaubwürdigkeit an. Mehrheitlich schlossen sich denn auch die Delegierten einem Antrag des Unterbezirks Chemnitz an, der wie eine Nachbesserungsliste an die Bundespartei klingt: mehr Solidarität in den Sozialsystemen, Vernunft und Augenmaß bei Hartz IV und ein Festschreiben des Aufbau-Ost.

Ebenso personell folgen die Delegierten nicht völlig dem Listenvorschlag von Parteichef Jurk, der vor allem nach Regionalproporz die 16 Kandidaten auswählte. Vielleicht die ersten acht oder neun, munkelt man, haben tatsächlich eine Chance, in den neuen Bundestag zu gelangen. Verständlich, dass sich der Zwickauer Bundestagsabgeordnete Andreas Weigel mit dem zugewiesenen achten Platz nicht zufrieden geben will. „Enttäuscht und überrascht" hat ihn, sagt er, dass man seine Arbeit nicht mit einem besseren Platz honoriert habe. Mit einer Kampfkandidatur gegen den Leipziger Gunter Weißgerber gelingt dem 41-Jährigen doch noch der Sprung auf Platz drei. „Es ging mir vor allem um ein Signal in die eigene Partei", sagt Weigel. „Die Generation der Enkel braucht die Unterstützung von uns Jüngeren." Eine Verjüngung könnte auch durch die 24-jährige Schneebergerin Ines Vogel gelingen, die als jüngste SPD Kandidatin im Osten gilt. Sie hat mit Platz 11 zwar wenig Chancen, über die Landesliste in den Bundestag einzuziehen, sie bewirbt sich aber im Wahlkreis Annaberg/Aue Schwarzenberg gegen Günter Baumann (CDU) um ein Direktmandat.

Trotz kleiner, innerparteilicher Nadelstiche ist für die Sachsen-SPD eindeutig, wer die Gegner sind. Jelena Hofmann zum Beispiel, die Chemnitzer Bundestagsabgeordnete, die mit ihrer angekündigten Verfassungsklage gegen die Neuwahlen im Landesverband isoliert scheint. Ihre Kandidatur zum Parteirat fand noch nicht einmal mehr die Unterstützung des kompletten Unterbezirks Chemnitz. Heftige Schelte gibt es außerdem für Sabine Zimmermann, die DGB-Chefin Vogtland/Zwickau, die aus der SPD austrat und nun für die PDS/WSAG kandidiert. Wer gehen müsse, solle gehen, sagt Jurk. Und auch Schwanitz macht deutlich, was er von der neuen Partei um Oskar Lafontaine und Gregor Gysi hält: „Wer sich auf den braunen Misthaufen stellt, fängt selber an zu stinken."

Die ersten Listenplätze
1. Rolf Schwanitz (Vogtland), 2. Marlies Volkmer (Dresden), 3. Andreas Weigel (Zwickau), 4. Simone Violka (Chemnitzer Land), 5. Wolfgang Gunkel (Löbau/Zittau).
Von Christina Hofmann