Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 13.07.2005

Von Polen nach Litauen - NPD lässt weiter billig drucken

 
Dresden. Eigentlich wollte Thomas de Maizière (CDU) gestern neue Zahlen präsentieren. Der Verfassungsschutzbericht für 2004 stand auf dem Programm des Innenministers, doch dann kam er auf einen anderen Punkt zu sprechen. Die rechtsextreme NPD, meinte de Maizière ganz nebenbei, lasse ihre bundesweite Parteizeitung Deutsche Stimme weiterhin im Ausland drucken - nicht mehr in Polen wie bisher, sondern in Litauen.

Die Verlagerung der Produktion der NPD-Hauspostille hat einen einfachen Grund. Nachdem bekannt geworden war, dass die Rechtsextremen um Chefredakteur Holger Apfel die Deutsche Stimme im westpolnischen Zielona Gora (Grünberg) drucken lassen, nahmen polnische Sicherheitskräfte die Druckerei unter die Lupe. Ergebnis: Der Druckauftrag wurde gekündigt. Nach internen Informationen handelt es sich bei dem neuen Druckort um Vilnius, der Hauptstadt von Litauen. Eingeflogen werde das Blatt über den Flughafen Hannover, hieß es in Dresden.

Laut de Maizière ist dies erklärungsbedürftig. Ganz offenkundig wolle die NPD "die Transportwege verschleiern", sagte der Minister. So werde die rechtsextreme Fracht auf dem Weg nach Riesa gleich zwei Mal umgeladen. Damit solle "der Eindruck erweckt werden, es handele sich um eine deutsche Druckerei". Vor Wochen hatte die Nachricht von dem Druckauftrag in Polen für einen Eklat im Landtag gesorgt (diese Zeitung berichtete). De Maizière warf der NPD "Scheinheiligkeit" vor. Sie wolle über das Thema "Grenze dicht für Lohndrücker" debattieren und agiere "selbst als Lohndrücker". NPD-Fraktionschef Apfel sagte daraufhin zu de Maizière: "Mit Verlaub, Sie sind für mich ein Arschloch" - und erhielt dafür einen Ordnungsruf.

Die NPD selbst ist nach Ansicht von de Maizière "auf dem absteigenden Ast". Selbst in Sachsen, dem heimlichen Zentrum der rechtsextremen Partei bundesweit, sei "der große Schwung gebrochen". Nach dem Einzug in den sächsischen Landtag habe die NPD keine Wahlerfolge in anderen Ländern erzielt, auch gebe es "interne Konflikte". "Das sind gute Nachrichten", sagte der Minister.

Gleichzeitig warnte de Maizière vor allzu früher Entwarnung. So hätten die rechtsextremen Kameradschaften in Sachsen Zulauf, ihre Zahl sei von 710 im Jahr 2003 auf 870 gestiegen. Darunter befänden sich 170 Neonazis und 700 aus dem "subkulturellen Milieu". Hinzu kämen 900 Skinheads. Insgesamt gäbe es im Freistaat 3100 Anhänger. Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischen Hintergrund ist laut Verfassungsschutzbericht um rund 20 Prozent auf 1318 gestiegen, darunter 63 Gewalttaten. Nach Aussage von Verfassungsschutz-Präsident Rainer Stock hat die NPD mittlerweile rund 50.000 CDs für den Wahlkampf in einem Lager deponiert - allerdings außerhalb Sachsens.
Jürgen Kochinke