Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 27.07.2005

Frauen wählen lieber Union

Umfrage. Angela Merkel kann zwar nicht mit einem Ost-Bonus rechnen. Bei weiblichen Wählern schneidet die CDU aber gut ab.
 
Die Sachsen stellen den großen Parteien ein schlechtes Zeugnis aus. In einer Umfrage des Leipziger Instituts für Marktforschung im Auftrag der SZ sagen 71 Prozent, dass keine der großen Parteien in der Lage ist, die Probleme der Arbeitslosigkeit, der Haushaltssanierung und die Reform der Sozialsysteme in den Griff zu bekommen. 19 Prozent trauen dies am ehesten noch einer unionsgeführten Bundesregierung zu, nur neun Prozent einer Neuauflage der rot-grünen Koalition. Selbst 42 Prozent der CDU-Anhänger glauben, dass keine der großen Parteien diese Probleme wirklich lösen kann.

Sonntagsfrage

Experten sind sich einig, dass man bei einem Vergleich der Umfrageergebnisse nicht die sächsische Landtagswahl im September 2004, sondern die Bundestagswahl 2002 heranziehen muss. Denn das Wahlverhalten der Sachsen unterscheidet sich deutlich bei Landtags- und Bundestagswahlen.

Bei der Wahl 2002 lagen CDU (33,6 Prozent) und SPD (33,3 Prozent) fast gleichauf. Jetzt legen die Christdemokraten in der aktuellen Umfrage mit 38 Prozent deutlich zu. Eigentlicher Gewinner ist jedoch auf Platz 2 die Linkspartei PDS mit 28 Prozent – bei der Wahl vor drei Jahren waren es nur 16,2 Prozent. Damals konnte die SPD durch den Irak-Krieg und das Krisenmanagement während der Flutkatastrophe in ganz Ostdeutschland Punkte sammeln. Jetzt kommt die SPD nur noch auf 19 Prozent. Die Grünen liegen bei fünf, die FDP erreicht nur vier Prozent.

Die NPD, die bei der Landtagswahl im September mit einem Ergebnis von 9,2 Prozent noch bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat, spielt für die Bundestagswahl praktisch keine Bedeutung. Sie käme nur auf zwei Prozent. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Rechtsextremisten in Sachsen ihren Zenit mittlerweile überschritten haben. Viele Protestwähler sind offenbar entweder zur PDS abgewandert oder zur großen Schar der Unentschlossenen und Nichtwähler.

Bis zur Bundestagswahl sind es noch knapp acht Wochen. In dieser Zeit kann sich in der Wählerstimmung noch viel ändern. Denn immerhin 36 Prozent der Befragten wissen noch nicht, ob sie überhaupt zur Wahl gehen werden und wem sie ihre Stimme geben sollen.

Merkels Image

Von einem Ost-Bonus kann für die Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel keine Rede sein. Nur 14 Prozent erwarten, dass durch eine Kanzlerin Merkel Ostdeutschland in der Bundespolitik mehr Gewicht erhält. Dafür kommt Merkel offenbar ein Frauen-Bonus zugute. Denn deutlich mehr Frauen als Männer würden CDU wählen: Beim weiblichen Geschlecht kommt die Union auf 40 Prozent, beim männlichen auf 36 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2002 war Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber von der CSU bei den Frauen dagegen nicht übermäßig beliebt. Bei den anderen großen Parteien sind die Resultate zwischen den Geschlechtern in der aktuellen Umfrage eher ausgewogen.

Jung und Alt

Bei den Jungwählern ist die Union zwar stärkste Partei, aber insgesamt doch unterdurchschnittlich vertreten. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen kommt die CDU nur auf 31 Prozent, in der Gruppe ab 50 Jahren und älter dagegen auf 46 Prozent. Je älter die Befragten, desto größer ist die Neigung, CDU zu wählen. Die SPD ist dagegen bei den Jüngeren relativ stark vertreten. 24 Prozent der 18- bis 29-Jährigen würden der SPD ihre Stimme geben. Die PDS ist in dieser Altersgruppe mit 21 Prozent nur unterdurchschnittlich vertreten. Die SED-Nachfolgepartei schneidet dagegen bei den 30- bis 49-Jährigen mit 34 Prozent überdurchschnittlich gut ab.

sozialstruktur

Dass Arbeiter und Arbeitslose nicht CDU wählen, ist laut Umfrage ein Vorurteil. Bei den Arbeitern liegt die CDU mit 41 Prozent mit klarem Abstand vorn. Bei Arbeitslosen (38 Prozent) sowie in der Gruppe der Angestellten und Beamten (39 Prozent) befinden sich die Christdemokraten noch im Durchschnitt, aber ebenfalls deutlich vor allen anderen Parteien. Die PDS ist dagegen bei Angestellten und Beamten mit 22 Prozent unterdurchschnittlich vertreten. 31 Prozent der Arbeiter und 30 Prozent der Arbeitslosen würden dagegen der Linkspartei ihre Stimme geben. Das Dilemma der sächsischen SPD: Nur 13 Prozent der Arbeiter und 14 Prozent der Angestellten wollen sozialdemokratisch wählen. In anderen Regionen Deutschlands stellen diese Gruppen die Stammwähler der SPD.

Die neue Linkspartei

53 Prozent der Sachsen halten von der neuen Linkspartei gar nichts. Sie sei „nichts anderes als die PDS, nur unter neuem Namen. Sie macht Versprechungen, die sie nicht halten kann“. In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen ist diese Meinung mit 63 Prozent besonders stark vertreten. Bei jungen Leuten hat die PDS offenbar ein Imageproblem. Immerhin 39 Prozent aller Befragten sind allerdings der Auffassung, dass es in den vergangenen Jahren viel zu viele soziale Einschnitte gab und das Linksbündnis die einzige Partei ist, „die entschieden gegen einen weiteren Sozialabbau eintritt“.
Von Dieter Schütz