Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 04.08.2005

Staatsregierung will den Wählerpuls messen

Stimmung. Kurz vor der Bundestagswahl soll eine vom Freistaat finanzierte Umfrage den möglichen Ausgang untersuchen.
 
„Das Gegenteil von gut ist gut gemeint“, sinniert Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) im Internet auf die Frage nach seinem Lebensmotto. Dass seine Mitarbeiter es besonders gut meinten, während der Chef noch im Urlaub weilt, dürfte er damit jedoch nicht gemeint haben.

Noch vor der Bundestagswahl will die Staatsregierung nach SZ-Informationen eine eigene große Wahl-Umfrage beim Bielefelder Emnid-Institut in Auftrag geben. Traditionell ist darin neben spezifisch sächsischen Politikfeldern auch die so genannte „Sonntagsfrage“ enthalten, mit der die Parteipräferenz der Sachsen erkundet wird. Zwei bis drei Wochen werden für die Befragung sowie Aufarbeitung des Datenmaterials benötigt. Zielgenau wenige Tage vor der Wahl am 18. September sollen die Werte dann in der Öffentlichkeit platziert werden. Staatliche Wahlforschung für einen stolzen Preis: 77 000 Euro kosten die beiden Befragungen, die das Emnid-Institut seit mehr als zehn Jahren in zwei großen Befragungswellen Anfang und Mitte jedes Jahres erstellt.

Die Vorbereitungen für die Befragung laufen bereits. Während das ein Mitarbeiter der Staatskanzlei vorgestern noch offiziell bestätigte, ruderte gestern der Bereichsleiter Pressearbeit, Stephan Gössel, kräftig zurück. „Es ist noch keine Entscheidung dazu gefallen.“ Sie werde erst nach Rückkehr des Regierungssprechers in der nächsten Woche getroffen. „Auch ob wir die Ergebnisse vor der Wahl veröffentlichen, ist noch unklar“, so Gössel. Eine Veröffentlichung kurz vor der Wahl – kein Problem, hatte sein Mitarbeiter einen Tag zuvor noch erklärt. „Ob das sinnvoll ist, auch darüber werden wir erst nächste Woche reden“, erklärte dagegen Gössel gestern.

Politisches Eigentor

In jedem Fall setzt sich die Regierung, vor allem die CDU, damit selbst unter Druck. Sind ihre Umfrage-Werte gut, könnte sie damit das Sitzfleisch ihrer potenziellen Wähler am Wahlsonntag kräftigen; sie könnten vorziehen, zu Hause zu bleiben. Sind die Werte schlecht, könnte die Partei damit ungewollt die Opposition ermutigen. Schon einmal hatte eine kurz vor einer Landtagswahl veröffentlichte Emnid-Umfrage mit eher ernüchternden Werten für die CDU auch in der CDU für Verärgerung gesorgt. Die Chancen für ein erneutes politisches Eigentor stehen gut.
Von Annette Binninger