Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 11.08.2005
Wahlkampfhauptstadt Dresden
Leipzig/Dresden. Es war ein spektakulärer Tag für Kanzler Gerhard Schröder Ende August 2004 in Leipzig. Nachmittags war der damalige SPD-Chef von Hartz-IV-Gegnern in Wittenberge schon mit Eiern beworfen worden, abends empfingen ihn im Foyer der Leipziger Biocity Sprechchöre und Buhrufe. Ein Jahr später macht der einsame Kämpfer einen Bogen um die Messestadt und tritt lediglich auf dem Dresdner Theaterplatz auf - sein einziger Wahlkampftermin in Sachsen.
Ohnehin ist in diesem zeitlich eng bemessenen Bundestagswahlkampf vor allem die Landeshauptstadt das Mekka der vordersten Politspitzen geworden - die Wähler in Leipzig und seinem Umland müssen oft aus der Ferne zuschauen. Auch Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel, Linkspartei-Matador Oskar Lafontaine und die liberalen Granden Guido Westerwelle und Wolfgang Gerhardt haben für ihre Großveranstaltungen Dresden ausgewählt, obwohl vor allem in Leipzig ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen der großen Parteien erwartet wird.
Die Direktkandidaten tragen die Absagen mit Fassung, so wie der SPD-Abgeordnete Rainer Fornahl. Die erfolgsverwöhnten Sozialdemokraten in Leipzig könnten den Verzicht eben besser verschmerzen als die Genossen in Dresden und Chemnitz. "Aber natürlich hätten wir den Kanzler gern hier gesehen. Dass hätte uns noch einen Schub gegeben", räumt Fornahl ein. Doch am 7. September kommt immerhin Parteichef Franz Müntefering.
"Die Bürger sollen doch uns wählen - und nicht Gysi und Lafontaine", sagt selbstbewusst die Linkspartei-Kandidatin Barbara Höll. Dabei sei es wohl kein Kriterium, "dass wir es schaffen, 1000 Promis herzuholen". Ohnehin hätte Lafontaine vorigen Sommer vor 40F000 Menschen auf dem Augustusplatz einen überzeugenden Auftritt hingelegt, so Höll. Sie freue sich, dass Gregor Gysi, mit dem sie viele Jahre im Bundestag zusammengearbeitet hat, zum Wahlkampffinale am 15. September auf den Leipziger Burgplatz kommt. Die Arbeitsteilung sieht vor, dass Gysi die 15 ehemaligen Bezirksstädte bereist und Lafontaine den Westen der Republik übernimmt. Beide werden aber am 3. September die Wahlkampftour eröffnen - freilich in Dresden.
Auch CDU-Frontfrau Angela Merkel hat nur Dresden und Chemnitz im Kalender stehen. "Aber wenn Frau Merkel erstmal Kanzlerin ist, wird sie noch oft genug nach Leipzig kommen", tröstet sich Direktkandidat Alexander Achminow. Stattdessen werden der CDU-Finanzexperte Friedrich Merz und Annette Schavan erwartet - die Merkel-Vertraute wird am 22. August auch im öffentlichen LVZ-Wahlforum in der Kuppel des Redaktionsgebäudes dieser Zeitung auftreten.
Bei den Liberalen haben sich Parteichef Westerwelle und Bundestagsfraktionschef Gerhardt mehrere Wahlveranstaltungen in Dresden vorgenommen, werden aber auf einen Straßenwahlkampf in Leipzig verzichten. Westerwelle kommt jedoch am 16. August zum LVZ-Wahlforum (siehe nebenstehender Beitrag). Schon Ende Juli hatte der FDP-Chef ein Kulturfrühstück an der Pleiße ausgerichtet. Gestern eröffnete der sächsische Partei- und Fraktionschef Holger Zastrow den FDP-Wahlkampf im Freistaat - eine dreitägige Motorradtour soll durch ganz Sachsen führen.
Ranghohen Besuch kann Leipzig von den Grünen erwarten: Diplomatisch ausgewogen wird Außenminister Joschka Fischer sowohl in Dresden und Chemnitz als auch in Leipzig sein und am 23. August auf dem Augustusplatz sprechen. Am selben Tag wird er ebenfalls in den Peterssteinweg zum LVZ-Wahlforum kommen.
Sven heitkamp