Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 19.08.2005

"Linkspartei ohne reales Konzept"

 
Dresden. Vor der Bundestagswahl geht Sachsens SPD-Chef und Wirtschaftsminister Thomas Jurk mit CDU und Linkspartei hart ins Gericht. Er warf der Linkspartei vor, sie bringe den Osten nicht voran. Zudem stimme die Partei im Landtag zuweilen ebenso wie die NPD. Dies berichtet er im Interview.

Frage: Als SPD-Landeschef führen Sie derzeit den ersten Bundestagswahlkampf. 2002 holte die SPD in Sachsen 33,3 Prozent. Heute liegen die Umfragezahlen bei nur 24 Prozent. Was ist Ihr Ziel?

Thomas Jurk: Wir wollen vor allem, dass die SPD stärkste Kraft im Bundestag bleibt und viele Abgeordnete aus Sachsen kommen. Ziel ist, die drei Direktmandate aus dem Leipziger Raum zu verteidigen und mindestens zwei weitere in Chemnitz und im Vogtland zu gewinnen. Wenn ich den Umfragen glauben darf, stehen wir da als Landesverband noch vor großen Aufgaben und müssen vor allem die vielen Unentschlossenen erreichen. Aber eine Messlatte für das Wahlergebnis lasse ich mir nicht anlegen.

CDU und SPD führen einen harten Wahlkampf. Wie stark ist die Dresdner Koalition davon belastet?

Ministerpräsident Georg Milbradt und ich kämpfen als Landesvorsitzende natürlich vehement für unsere Parteien. Aber wir sind uns einig, dass wir es nicht zu einem Streit in der Koalition über Landesthemen kommen lassen.

Sie schließen eine Große Koalition als Option für Berlin nicht aus. Heißt das nicht, sich vom Spitzenkandidaten Schröder zu verabschieden?

Gerhard Schröder wird immer noch von der Mehrheit der Deutschen mit Abstand als geeignetster Kanzler angesehen. Darum ist es wichtig, dass die SPD am stärksten abschneidet. Über alle möglichen Optionen kann man am Abend des 18. September sprechen.

Wir erleben zugleich eine starke Linkspartei. Kommt sie als Koalitionspartner in Betracht?

Ausgeschlossen. Die Linkspartei ist doch nur in der Lage Stimmungen aufzugreifen. Sie legt aber kein reales Konzept für die Wirklichkeit vor und bringt uns nicht voran. Allein die ständigen Namensänderungen zeigen, wie absurd deren Auftreten ist. Außerdem sind dort Parteispalter untergekommen, die nur versuchen ihre eigene Linie durchzuziehen. Und noch etwas: Im Landtag hält sich die Linkspartei nicht immer an Absprachen. Sie stimmt ebenso wie die NPD gegen viele Regierungsvorlagen und streitet sich noch mit der NPD, wer bestimmte Anträge vom anderen abgeschrieben hat. Die politischen Ränder sind sich da an manchen Punkten völlig einig.

Vor gut einem Jahr, im Sommer vor der Landtagswahl, waren Sie für ein Bündnis noch offener ...

Aber dann hat die Personalkommission der Uni Leipzig ein eindeutiges Votum zu den Stasi-Vorwürfen gegen deren Spitzenkandidaten Peter Porsch abgegeben. Seither war klar: Mit diesen Leuten nicht.

Wird ein starkes Abschneiden der Linkspartei eine neue West-Ost-Transferdebatte auslösen?

Dafür hat Edmund Stoiber leider eine Grundlage gelegt. In der westdeutschen SPD erlebe ich jedoch großes Verständnis für unsere Absichten, wie die Ost-Angleichung des Arbeitslosengeldes II.

Das SPD-Wahlmanifest schreibt aber nur die bisherigen Vereinbarungen fort. Milbradt dagegen will den Osten durch mehr Deregulierung für Investoren attraktiver machen ...

Deregulierung würde bei der CDU aber heißen: Den Kündigungsschutz abbauen, die Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge streichen, die Pendlerpauschale kürzen. Die SPD steht dagegen für soziale Standards, die es ermöglichen ein anständiges Leben im Osten führen zu kön-nen.

Welche Rolle spielt die NPD noch?

Ich warne davor, das Problem mit den Rechtsextremisten für erledigt zu erklären. Sie gehen auch in diesem Wahlkampf sehr aggressiv vor. In Nord- und Ostsachsen wurden gerade Wahlplakate massiv mit dem Konterfei von Rudolf Heß überklebt. Wir haben dagegen Anzeige erstattet.

In Leipzig wird oft befürchtet, dass zu viele Gelder in Dresden bleiben.

Das ist eine jahrhundertealte Rivalität. Aber eine Menge großer Investitionsvorhaben laufen ja, siehe BMW, Porsche, DHL und Fraunhofer. Ich will jedenfalls dafür sorgen, dass es keine Benachteiligung Leipzigs gibt.

Steht die A 38 bis zum Anpfiff der Fußball-Weltmeisterschaft?

Sollen wir wirklich mehrere Millionen Euro Steuergelder ausgeben, um für die Fußball-WM drei Monate früher fertig zu sein? Wir verhandeln da noch mit den Baufirmen, lassen uns aber nicht erpressen.

Interview: Bernd Hilder/Anita Kecke/Sven Heitkamp/Markus Werning