Karl Nolle, MdL

Frankfurter Rundschau, 20.08.2005

Eindimensionale Orientierung

Kommentar von Richard Meng
 
Es läuft nicht schlecht aus der Sicht von Angela Merkel. Die Kanzlerkandidatin der Union braucht in diesen Tagen, Edmund Stoibers gegenteiligem Gespür zum Trotz, tatsächlich nicht angriffsfreudiger zu werden. Denn die Anzeichen von Wechselstimmung bleiben.

Der Konkurrent aus Bayern hat sich mit seiner Privat-Offensive selbst geschwächt, die Union aber leidet darunter ausweislich der Umfragedaten nicht. Das großteils nur aus der zweiten Reihe besetzte "Kompetenz-Team" Merkels geht in der Öffentlichkeit als so-la-la durch. Das Regierungslager war vom Überraschungsgast Paul Kirchhof derart überrumpelt, dass dort bis heute eine angemessen fundierte Auseinandersetzung mit ihm ausbleibt. Wie überhaupt speziell die SPD und ihr Kanzler defensiv wirken. Nicht bereit oder nicht willens zur größeren Attacke. Wie perplex, dass die Strategie, auf die Fehler im Unionslager zu warten, so wenig bringt.

Das alte Gesetz, dass die Schwäche des einen die Stärke des anderen ist, gilt zwar noch innerhalb der Union. Aber zwischen Union und SPD ist es wohl außer Kraft gesetzt. Klar, warum: Bei rein machtpolitischer Betrachtung fehlt der SPD, je näher der Wahltag rückt, umso mehr die realistische Führungsperspektive. Jegliche Bündnisdebatte über Rot-Grün hinaus würde zusätzlich lähmen. Aber eine der offenen Fragen für die nächsten Wochen ist doch, wie lange das Wahlziel glaubwürdig bleibt, dass Gerhard Schröder nochmals Kanzler werden soll. Selbst wenn von Begeisterung für Merkel nirgends die Rede sein kann.

Eine der Erfahrungen dieses Wahlkampfs ist, dass man allseits nur ergebnisbezogen denkt - und nicht inhaltlich über verschiedene Wege streitet. Die Union schafft es bisher, die Bilanz rot-grüner Politik auf ein paar Schlagworte, immer negativ, manchmal verzerrt, zu reduzieren und damit eine ernsthaftere Abwägung zu ersticken. Und die SPD hat, das ist ihr eigenes Problem jenseits der Machtfrage, kein großes Thema, das dagegen stünde und die Liberalkonservativen zur Auseinandersetzung zwingt. Erst dann würde ins Zentrum rücken, was das Land mit Schwarz-Gelb erwartet.